Wem ihre Sicherheit nicht gilt – Beitrag einer Aktivistin zu „Fides“

Für den «Krisenfall» wollen sie üben, eine «lang anhaltende terroristische Bedrohung» bewältigen. Militär und Polizei Hand in Hand – gegen die Gefahr von Aussen, gegen Terror. Für unsere Sicherheit, für die Sicherheit der Schweizer Bevölkerung.

Wir fragen uns: Wem gilt die Sicherheit von Polizei&Armee, vom Berner Sicherheitsdirektor Philippe Müller, vom Schweizer Staat? Und wem gilt sie nicht?

Ihre Sicherheit gilt nicht für migrierende und flüchtende Menschen. Für People on  the Move bedeutet ihre Sicherheit: Stacheldraht, Schlagstöcke, Sterbenlassen. 

«Keine Experimente mit unserer Sicherheit» – so stand es diesen Frühling auf blauen Abstimmungsplakaten, ein rotes JA ZU FRONTEX in Grossbuchstaben. Bundesrat, Operation Libero und Parteien von da bis dort redeten von Sicherheit und fordern auch heute: Mauern bauen, Stacheldraht auf Grenzzäune setzen, Grenzbeamt*innen Waffen in die Hände drücken. Sie reden von Sicherheit und schliessen die Türen, schotten ab, lassen sterben.

Es ist ihre Sicherheit, die Fluchtrouten schliesst. Es ist ihre Sicherheit, die erfrieren, ertrinken, sterben lässt. Abschottung, Pushbacks, Grenzgewalt – das bedeutet ihre Sicherheit für migrierende und flüchtende Menschen.

Für wen ihre Sicherheit auch nicht gilt: 

Oury Jalloh. George Floyd. Breonna Taylor. Walter Scott. Michael Brown. Amad Ahmad. Hervé Mandundu. Eric Garner. Claudio. Mike. Nzoy. Die Liste ist endlos.

Wo war eure Sicherheit, als Ouri Jallow in einer Gefängniszelle in Dessau verbrannte? Wo war eure Sicherheit, als Breonna Taylor die Kugel aus der Waffe der Polizist*innen trafen? Heisst Sicherheit für euch, auf einem Bahngleis in Morges erschossen zu werden?

Eine Erinnerung zwischendurch: Gegen rassistische Polizeigewalt. Für Gerechtigkeit für Nzoy und alle Ermordeten – gehen wir am 3. September gemeinsam in Zürich auf die Strasse.

Ihre Sicherheit – sie gilt auch nicht für die Betroffenen von Patriarchaler Gewalt. 

Weltweit werden täglich 137 Frauen/FLINTA-Personen von männlichen Familienangehörigen oder (Ex)Partnern ermordet.  In der Schweiz wird alle zwei Wochen ein Femizid begangen. Jede Woche überlebt eine FLINTA-Person einen Tötungsversuch. Wir FLINTAs werden ermordet, einfach weil wir FLINTAs sind.

Was ist die Antwort des Staates auf unsere fehlende Sicherheit? Eine Militär- und Polizeiübung? Kommt Kameraden, lasst uns fünft Tage lang Terror spielen.

Was ist die Antwort des Staates auf diese patriarchale Gewalt? Kommt Kameraden, verteidigen wir uns gegen eine vermeintliche «Gefahr von Aussen», dem «anonymen bösen Feind». Und ignorieren weiterhin, dass unserer Gesellschaft in sich rassistisch, patriarchal, aebelistisch, homo- und transfeindlich ist. Dass unsere Gesellschaft so viel alltägliche Gewalt produziert.

Die Sicherheit von Polizei&Armee, vom Berner Sicherheitsdirektor Philippe Müller, vom Staat & Co. – sie macht uns nicht sicher. Sie macht das Gegenteil: Sie gefährdet Menschen. Ihre Sicherheit ist jediglich ein Sichern von Machtsystemen, unterdrückenden Strukturen und Privilegien. 

Wir fragen uns: Was macht uns wirklich sicher?

Ist es eine Militär- und Polizeiübung, die uns sicher macht, während Temperaturen und Meeresspiegel steigen? 

Ausgetrocknete Böden, zerstörte Lebensgrundlagen, Vertreibungen: die Klimakrise birgt enormes Konfliktpotential. An alle Sicherheitspolitiker und direktorinnen: das sollte euch mal interessieren. Anstatt absurde Polizeiübungen abzuhalten, kümmert euch stattdessen um die Bekämpfung der Klimakrise.

Anstatt absurde Militärübungen abzuhalten, erinnert euch stattdessen daran: Militär und Krieg gehören zu den Hauptverursachern von Treibhausgasemissionen und Umweltkatastrophen.

Was macht uns wirklich sicher? Militarisierung, Aufrüstung, Waffen?

Es ist ermüdend. Dass wir es immer wieder sagen müssen: Waffen schaffen keine Sicherheit. Waffen verbreiten Angst, zerstören und töten. Militarisierung und Aufrüstung sind keine Antwort auf Krieg und globale Krisen.

Was macht uns wirklich sicher? Ihre Sicherheit macht es nicht. Ihr Gerede von «Vorbereitung auf den Ausnahmezustand» macht uns nicht sicher. Ihre Militär- und Polizeiübung – auch die macht uns nicht sicher.

Für eine tatsächliche Sicherheit braucht es Solidarität. Kollektivität anstatt Vereinzelnung. Gemeinsame Verantwortung anstatt Kontrolle.

Es braucht sichere Fluchtrouten, ein freies und selbstbestimmtes Leben für die Menschen hier.

Für kollektive Sicherheit braucht es Massnahmen zur Bekämpfung patriarchaler und rassistischer Gewalt und Strukturen. Ohne dabei zu vergessen: Die einzig nachhaltige Prävention, ist die antirassistische und feministische Weltrevolution.

Für kollektive Sicherheit braucht es Geld für die Bekämpfung der Klimakrise, Geld für Care-Arbeit, Geld für das Gesundheits- und Bildungswesen. Anstatt für Militär und Polizei.

Die kontrollierende Sicherheit von Polizei&Armee, vom Berner Sicherheitsdirektor Philippe Müller, vom Staat & Co. – sie ist vieles. Sie ist rassistisch, sie ist patriarchal. Sie fördert Aufrüstung und Militarisierung und sie heizt die Klimakrise an. Doch eines ist ihre Sicherheit nicht. Sie ist nicht fähig, Antworten auf die zahlreichen herrschenden Krisen zu finden.

Das müssen wir schon selbst tun. Danke für euren Widerstand.