Wem ihre Sicherheit nicht gilt – Beitrag einer Aktivistin zu „Fides“

Für den «Krisenfall» wollen sie üben, eine «lang anhaltende terroristische Bedrohung» bewältigen. Militär und Polizei Hand in Hand – gegen die Gefahr von Aussen, gegen Terror. Für unsere Sicherheit, für die Sicherheit der Schweizer Bevölkerung.

Wir fragen uns: Wem gilt die Sicherheit von Polizei&Armee, vom Berner Sicherheitsdirektor Philippe Müller, vom Schweizer Staat? Und wem gilt sie nicht?

Ihre Sicherheit gilt nicht für migrierende und flüchtende Menschen. Für People on  the Move bedeutet ihre Sicherheit: Stacheldraht, Schlagstöcke, Sterbenlassen. 

«Keine Experimente mit unserer Sicherheit» – so stand es diesen Frühling auf blauen Abstimmungsplakaten, ein rotes JA ZU FRONTEX in Grossbuchstaben. Bundesrat, Operation Libero und Parteien von da bis dort redeten von Sicherheit und fordern auch heute: Mauern bauen, Stacheldraht auf Grenzzäune setzen, Grenzbeamt*innen Waffen in die Hände drücken. Sie reden von Sicherheit und schliessen die Türen, schotten ab, lassen sterben.

Es ist ihre Sicherheit, die Fluchtrouten schliesst. Es ist ihre Sicherheit, die erfrieren, ertrinken, sterben lässt. Abschottung, Pushbacks, Grenzgewalt – das bedeutet ihre Sicherheit für migrierende und flüchtende Menschen.

Für wen ihre Sicherheit auch nicht gilt: 

Oury Jalloh. George Floyd. Breonna Taylor. Walter Scott. Michael Brown. Amad Ahmad. Hervé Mandundu. Eric Garner. Claudio. Mike. Nzoy. Die Liste ist endlos.

Wo war eure Sicherheit, als Ouri Jallow in einer Gefängniszelle in Dessau verbrannte? Wo war eure Sicherheit, als Breonna Taylor die Kugel aus der Waffe der Polizist*innen trafen? Heisst Sicherheit für euch, auf einem Bahngleis in Morges erschossen zu werden?

Eine Erinnerung zwischendurch: Gegen rassistische Polizeigewalt. Für Gerechtigkeit für Nzoy und alle Ermordeten – gehen wir am 3. September gemeinsam in Zürich auf die Strasse.

Ihre Sicherheit – sie gilt auch nicht für die Betroffenen von Patriarchaler Gewalt. 

Weltweit werden täglich 137 Frauen/FLINTA-Personen von männlichen Familienangehörigen oder (Ex)Partnern ermordet.  In der Schweiz wird alle zwei Wochen ein Femizid begangen. Jede Woche überlebt eine FLINTA-Person einen Tötungsversuch. Wir FLINTAs werden ermordet, einfach weil wir FLINTAs sind.

Was ist die Antwort des Staates auf unsere fehlende Sicherheit? Eine Militär- und Polizeiübung? Kommt Kameraden, lasst uns fünft Tage lang Terror spielen.

Was ist die Antwort des Staates auf diese patriarchale Gewalt? Kommt Kameraden, verteidigen wir uns gegen eine vermeintliche «Gefahr von Aussen», dem «anonymen bösen Feind». Und ignorieren weiterhin, dass unserer Gesellschaft in sich rassistisch, patriarchal, aebelistisch, homo- und transfeindlich ist. Dass unsere Gesellschaft so viel alltägliche Gewalt produziert.

Die Sicherheit von Polizei&Armee, vom Berner Sicherheitsdirektor Philippe Müller, vom Staat & Co. – sie macht uns nicht sicher. Sie macht das Gegenteil: Sie gefährdet Menschen. Ihre Sicherheit ist jediglich ein Sichern von Machtsystemen, unterdrückenden Strukturen und Privilegien. 

Wir fragen uns: Was macht uns wirklich sicher?

Ist es eine Militär- und Polizeiübung, die uns sicher macht, während Temperaturen und Meeresspiegel steigen? 

Ausgetrocknete Böden, zerstörte Lebensgrundlagen, Vertreibungen: die Klimakrise birgt enormes Konfliktpotential. An alle Sicherheitspolitiker und direktorinnen: das sollte euch mal interessieren. Anstatt absurde Polizeiübungen abzuhalten, kümmert euch stattdessen um die Bekämpfung der Klimakrise.

Anstatt absurde Militärübungen abzuhalten, erinnert euch stattdessen daran: Militär und Krieg gehören zu den Hauptverursachern von Treibhausgasemissionen und Umweltkatastrophen.

Was macht uns wirklich sicher? Militarisierung, Aufrüstung, Waffen?

Es ist ermüdend. Dass wir es immer wieder sagen müssen: Waffen schaffen keine Sicherheit. Waffen verbreiten Angst, zerstören und töten. Militarisierung und Aufrüstung sind keine Antwort auf Krieg und globale Krisen.

Was macht uns wirklich sicher? Ihre Sicherheit macht es nicht. Ihr Gerede von «Vorbereitung auf den Ausnahmezustand» macht uns nicht sicher. Ihre Militär- und Polizeiübung – auch die macht uns nicht sicher.

Für eine tatsächliche Sicherheit braucht es Solidarität. Kollektivität anstatt Vereinzelnung. Gemeinsame Verantwortung anstatt Kontrolle.

Es braucht sichere Fluchtrouten, ein freies und selbstbestimmtes Leben für die Menschen hier.

Für kollektive Sicherheit braucht es Massnahmen zur Bekämpfung patriarchaler und rassistischer Gewalt und Strukturen. Ohne dabei zu vergessen: Die einzig nachhaltige Prävention, ist die antirassistische und feministische Weltrevolution.

Für kollektive Sicherheit braucht es Geld für die Bekämpfung der Klimakrise, Geld für Care-Arbeit, Geld für das Gesundheits- und Bildungswesen. Anstatt für Militär und Polizei.

Die kontrollierende Sicherheit von Polizei&Armee, vom Berner Sicherheitsdirektor Philippe Müller, vom Staat & Co. – sie ist vieles. Sie ist rassistisch, sie ist patriarchal. Sie fördert Aufrüstung und Militarisierung und sie heizt die Klimakrise an. Doch eines ist ihre Sicherheit nicht. Sie ist nicht fähig, Antworten auf die zahlreichen herrschenden Krisen zu finden.

Das müssen wir schon selbst tun. Danke für euren Widerstand.

 

No Fides: Migration und Militarisierung

Vom 15. bis 19. August halten Polizei und Armee in Bern die Übung «Fides» (Vertrauen) ab. Dagegen regt sich Widerstand (nofides.noblogs.org).
Wir werden in den nächsten Wochen in unregelmässigen Abständen auf barrikade.info und auf unserem Blog Texte veröffentlichen, die wir zur Thematik lesenwert finden und welche möglicherweise als Grundlagen für Diskussionen dienen können. Dabei teilen wir nicht immer zu hundert Prozent alle Inhalte der publizierten Texte. Es geht uns in erster Linie darum, Grundlagen für Diskussionen zu schaffen.

Als letzten in unserer Reihe möchten wir den Text „Migration und Militarisierung“ der Informationsstelle Militarisierung e.V. zur Lektüre vorschlagen. Dieser wurde erstmals im März 2022 publiziert (https://www.imi-online.de/2022/03/11/migration-und-militarisierung/). Im Text wird von der EU gesprochen, wovon die Schweiz nicht Teil ist. Die Schweiz betrachtet die Sicherung der EU-Aussengrenzen jedoch auch als wichtigen Teil ihrer Sicherheitsarchitektur und ist beispielsweise an Frontex beteiligt. Zudem haben im Text erwähnte Rüstungsfirmen wie z.B. Rheinmetall und Thales auch Entwicklungs- und Produktionstätten in der Schweiz.

Die EU produziert eine Ökonomie der Angst

von: Jacqueline Andres | Veröffentlicht am: 11. März 2022

Die einst als Zivilmacht betitelte EU transformiert sich in eine Sicherheitsunion. Die dort angenommenen Bedrohungen sind ein Motor für Forschung und Entwicklung. Auch für die illegalisierte Migration präsentiert sich die Sicherheitsindustrie als Lösungsanbieterin für politische, soziale und ökologische Probleme, die sie mitverursacht.

In der Region von Calais stürmten am 1. Januar 2022 Polizist*innen mit Schlagstöcken, Helmen und Schutzschildern auf Geflüchtete zu, rissen ihre Zelte nieder und setzten Tränengas gegen sie ein. Den Angegriffenen blieb keine Zeit, ihr Hab und Gut zu retten. Die Räumung schloss sich an rund 150 weitere an, die allein zwischen den Weihnachtsfeiertagen und Neujahr in der Region durchgeführt wurden.1 Diesen gewalttätigen Ein­sätzen liegt eine Versicherheitlichung von Migration zugrunde, die entmenschlicht, leicht ausbeutbare Arbeitskräfte schafft und das Sterben von Menschen normalisiert. Noch deutlicher tritt die EUropäische Stilisierung von people on the move zur Bedrohung an der polnischen Grenze zu Belarus zum Vorschein. Polnische Regierungsvertreter*innen sprechen von Menschen, die als „Waffen“ zur Destabilisierung der Grenze eingesetzt werden2 – der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, und die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, nutzen die gleiche Analogie und werten die Lage als „hybriden Angriff“.3

Technologisierte Grenzüberwachungsinstrumente

So nimmt es nicht wunder, wenn die zur „Bedrohung“ stilisierten Migrant*innen tatsächlich mit Militärtechnik kontrolliert und bekämpft werden. Viele Rüstungskonzerne verkaufen diese als „Dual Use-Technologien“ für die Grenzüberwachung. Sie lassen sich grob unterteilen in Schutzausrüstung der Einsatzkräfte (Bewaffnung und gepanzerte Fahrzeuge); Sensorik und Optronik (Wärmebildkameras, Nachtsichtgeräte und Sensoren); Aufklärungstechnologien (Drohnen, Satelliten, Radargeräte) und Datenanalysewerkzeuge bzw. Analytik (u. a. biometrische und KI-Anwendungen).

Die EU-Grenzagentur Frontex verfügt mit der neuen „Ständigen Reserve“ in der „Kategorie 1“ über 3.000 bewaffnete Beamt*innen. Zu deren geplanten Ausrüstung lud Frontex die Unternehmen Heckler&Koch, SigSauer, Glock und Grand Power 2019 zu einem „Industriedialog zu Waffen, Munition und Holster“ ein.4 Wegen rechtlicher Schwierigkeiten verzögerte sich die Beschaffung der Waffen für die „Kategorie 1“; den Auftrag erhielten erst im Herbst 2021 die Firmen Glock aus Österreich für die Pistolen sowie Mildat und Parasnake Arkadiusz Szewczyk aus Polen für die Lieferung von 3,6 Millionen Schuss Munition. Zwar freute sich Frontex Anfang Dezember 2021 über einen „historischen Schritt für die ständige Reserve und die Europäische Union“, als die Agentur zum ersten Mal bewaffnete Beamt*innen der „Kategorie 1“ an der litauisch-belarussischen Grenze stationierte, bewaffnet werden diese aber zunächst vom Gaststaat Litauen.5

An ihren Grenzen setzen EU-Mitgliedstaaten auch gepanzerte Fahrzeuge ein. So schickte Österreich z. B. im Frühjahr 2020 einen Polizeipanzer des Typs SurviorR II, ein MAN-Geländewagen von Achleitner aus Österreich, der von Rheinmetall umgerüstet und vertrieben wird, nach Griechenland.6 Die griechische Polizei verkündete 2021, eine auf einem Polizeipanzer montierte Schallkanone an der Grenze zur Türkei einsetzen zu wollen. Dabei handelt es sich um ein Long Range Acoustic Device (LRAD) des Typs 450XL des US-amerikanischen Unternehmens Genasys. Die Technik stammt aus einem Auftrag aus den Nullerjahren vom US-Verteidigungsministerium. Die Firma sollte ein auf Schallwellen basierendes Gerät zur Kommunikation zwischen Schiffen und zur Abwehr potenzieller Angreifer*innen entwickeln. US-amerikanische oder beispielsweise thailändische Polizeibehörden setzen diese Schallkanonen seitdem bei Protesten ein, obwohl deren immense Lautstärke u. a. einen Hörverlust verursachen kann. Im maritimen Bereich wird das Gerät u. a. von der EU-Mission Atalanta LRAD‘s zur „Pirateriebekämpfung“ vor der Küste Somalias genutzt.7

Auch bei der Aufklärungstechnik lässt sich die Nutzung von ursprünglich für das Militär entwickelten Technologien zur Grenzüberwachung feststellen. Frontex hat seit 2015 Zugriff auf Daten des EUropäischen Satellitenprogramms Copernicus, und erstellt mit den Satellitenbildern im Rahmen des European Surveillance Systems (EUROSUR) ein Lagebild der Grenzen in nahezu Echtzeit.8 Im zentralen Mittelmeer setzt Frontex eine von Israeli Aerospace Industries hergestellte Langstreckendrohne des Typs Heron 1 ein.9 Das israelische Militär nutzt das Luftfahrzeug seit den Nullerjahren in Gaza, etwa im Rahmen der Operation „Gegossenes Blei“ ab 2008.10 Auch die Bundeswehr flog die Heron 1 seit 2010 in Afghanistan, seit 2016 auch in Mali.

Zur Luftaufklärung nutzt Frontex außerdem an einem Versorgungskabel „gefesselte“ Zeppeline. 2019 testete die Agentur einen solchen Aerostat auf der griechischen Insel Samos, derzeit steigen sie am Evros-Grenzfluss zur Türkei in die Luft. Hauptauftragnehmer sind die deutsche in-innovative navigation GmbH und die französische CNIM Air Space.11 Ausgerüstet sind die Aerostaten mit dem elektro-optischem Infrarot-System ARGOS-II HD der deutschen Firma Hensoldt.12 Das Modul exportiert Hensoldt auch in die Türkei, dort ist es in die Kampfdrohne Bayraktar TB2 eingerüstet, mit der das türkische Militär seit 2016 Angriffe auf Kurd*innen in Nordsyrien und Nordirak fliegt.13

Die von elektro-optischen, radarbasierten oder akustischen Sensoren gesammelten Daten werden zusammen mit anderen Datenquellen von Anwendungen ausgewertet, die auf Künstlicher Intelligenz (KI) basieren. Unter anderem basieren Gesichtserkennungssysteme, wie sie Spanien an den Grenzen von Ceuta und Melilla14 und Griechenland in Flüchtlingslagern einsetzen wollen, auf KI.15

Akteure der EUropäischen Sicherheitsindustrie

Zwar werden Millionenbeträge in die Erforschung, Entwicklung und Produktion der beschriebenen Technologien gesteckt, doch können sie das Versprechen der „Bekämpfung“ von Migration oftmals nicht halten. Gewinner*innen gibt es trotzdem: die EUropäische Sicherheitsindustrie, die ihre Produkte zusehends für die innere Sicherheit und Grenzüberwachung vermarktet. Deren Verwendung durch Frontex sowie Grenztruppen der EU-Mitgliedstaaten wird gefordert und gefördert durch Akteur*innen, die vor allem aus großen Luftfahrt-, Raumfahrt- und Rüstungsunternehmen stammen. In den frühen Nullerjahren und nach der „Finanzkrise“ ab 2007 gingen die Rüstungsausgaben der EU deutlich zurück. Der zur gleichen Zeit aufkommende Markt für „Homeland Security“ in der EU kann deshalb als Neuerfindung der Rüstungsindustrie gesehen werden.16 Diese Entwicklung wird begleitet durch Forschungsorganisationen (z. B. Universitäten oder Fraunhofer Institute), Beratungsunternehmen (z. B. Deloitte), Regierungs-ministerien und EU-Institutionen.

Weitere wichtige Akteur*innen sind Lobbyorganisationen, die Phänomene wie Migration als Sicherheitsproblem definieren und für dessen Bekämpfung mit für das Militär entwickelten Technologien werben.17 Aus der Rüstungslobbygruppe Aerospace and Defence Industries Association of Europe heraus gründete sich 2007 der Lobbyverband European Organisation for Security (EOS), der sowohl zivile als auch militärisch nutzbare Sicherheitslösungen anbietet.18 Erforschung („Innovation“) und Entwicklung der Technologien erfordern hohe staatliche Ausgaben, die die Lobbyorganisationen von den EU-Mitgliedsstaaten oder aus EU-Mitteln einwerben. Auf diesem Feld konkurrieren die großen Rüstungsunternehmen Airbus, Leonardo, Indra und Thales und damit auch die dahinterstehenden Regierungen aus Deutschland, Italien, Spanien und Frankreich.

Horizont Europa

Ein solcher EU-Topf ist das Forschungsrahmenprogramm, das 2021 als Horizont Europa zum neunten Mal anlief. Von 2021 bis 2027 fördert die EU Forschungs- und Innovationsprojekte zur Stärkung der globalen „Wettbewerbsfähigkeit“ mit 95,5 Milliarden Euro. Das Programm besteht aus drei Pfeilern: Wissenschaftsexzellenz (25 Milliarden Euro), Globale Herausforderungen und industrielle Wettbewerbsfähigkeit Europas (53,5 Milliarden Euro) und Innovatives Europa (13,6 Milliarden Euro). Weitere Unterteilungen erfolgen innerhalb der Pfeiler, so gehört der Cluster „Zivile Sicherheit für die Gesellschaft“ (1,6 Milliarden) zum zweiten Pfeiler und gliedert sich wiederum auf in Schutz der EU und ihrer Bürger*innen vor Kriminalität und Terrorismus (87 Millionen Euro), Management der EU-Außengrenzen (55,5 Millionen Euro), Schutz wichtiger Infrastrukturen (31 Millionen Euro), Cybersicherheit (134,8 Millionen Euro), Resilienz im Krisen- und Katastrophenfall (72 Millionen Euro) und die vermehrte Nutzung von Forschungsergebnissen durch Anwender*innen (25,5 Millionen Euro).19

Im Bereich des Grenzmanagements fächern sich die Ausschreibungen in fünf Kategorien. Die erste betrifft Projekte, die zur großflächigen und autonomen Überwachung aus der Stratosphäre beitragen. Sie sollen kompatibel mit bestehenden und künftigen Grenz- und Seeüberwachungssysteme in der EU sein, einschließlich EUROSUR. Gefördert wird Forschung zu „UAVs, Ballons, Luftschiffen, Höhenplattformen (HAPs), Lighter-Than-Air (LTA)-Lösungen, Mikrosatelliten, Satellitenbilder“.20 Die zweite Kategorie zielt auf eine sicherere und verbesserte Einsatzfähigkeit von Grenz- und Küstenwachen und des Zolls. Projekte sollen sich an dem Bedarf von Frontex orientieren und die Grenzagentur bei der Entwicklung einbeziehen. Geforscht werden kann „an Sicherheitslösungen und Schutzausrüstungen für das eingesetzte Personal, fortgeschrittenen Kommunikationssystemen und fortgeschrittenen Human Interface Geräten und Sensoren“.21 Die dritte Kategorie soll verbesserte Grenzkontrollen zur Erleichterung des Reiseverkehrs, der Reisenden und der Grenz- und Küstenwachen ermöglichen. Der Fokus liegt hier auf der Erforschung von stationären und mobilen und leicht transportablen Technologien zur Überprüfung von Pässen, biometrischen Daten und Dokumenten in z. B. Zügen, auf Straßen oder auch Schiffen.22 Die vierte Kategorie widmet sich der Erkennung verbotener Gegenstände im Postverkehr und die letzte Kategorie der verbesserten Erkennung von verbotenen Gegenständen am und im Körper von Personen.

EU als Sicherheitsunion?

Im Kern hat der im Vertrag von Amsterdam verankerte „Raum der Freizügigkeit, der Sicherheit und des Rechts“ bereits die Fundamente einer Argumentation für die „Festung Europa“ geschaffen: Die innere Sicherheit der EU erfordere eine verstärkte Kontrolle der Außengrenzen zum Schutz und Erhalt der „europäischen Lebensweise“.

In dieser Zeit spielte das Primat der „Sicherheit“ eine immer größere Rolle auch im militärischen Bereich: 2003 wurde die Europäische Sicherheitsstrategie angenommen und ein Jahr später die Europäische Verteidigungsagentur (EVA) geschaffen, um die Rüstungsplanung, -beschaffung und -forschung voranzutreiben. Ab 2016 strebte die EU an, ein globaler Sicherheitsakteur zu werden. Beeinflusst hat diese Entwicklung der angekündigte EU-Austritt Großbritanniens, das zuvor bei militärischen Bemühungen der EU, wie z. B. der 2003 gegründeten Battle-groups, bremsend wirkte.23

2016 löste die neu geschaffene Globale Strategie die Sicherheitsstrategie aus 2003 ab. Um global geeint militärisch agieren zu können, etabliert sie drei Instrumente, für die die EVA seither verantwortlich ist: die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit zur Förderung gemeinsamer Rüstungsprojekte; die Koordinierte Jährliche Überprüfung der Verteidigung zur Erstellung eines jährlichen Berichts über die EUropäische Sicherheits- und Rüstungslandschaft, um die Harmonisierung und Synchronisation voranzutreiben; und den Europäischen Verteidigungsfonds (EVF) zur Finanzierung gemeinsamer Rüstungsforschung und -entwicklung.

Seit 2021 ist der EVF aktiv – ausgestattet mit einem Gesamtbudget von stolzen 7,953 Milliarden Euro für den Zeitraum 2021-2027. Der für die Implementierung des Fonds verantwortliche Thierry Breton, EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen mit der erweiterten Zuständigkeit für Verteidigung und Raumfahrt (und ehemaliger CEO von Thales und ATOS), erklärt: „Es geht einfach darum, Europa auf dem geostrategischen Schachbrett der Welt zu behaupten.“24

Die Ergebnisse der durch den EVF geförderten Forschung z. B. an autonomen Systemen, Sensoren, Quantentechnologie oder auch Analytik können die beteiligten Unternehmen auch für andere Vorhaben nutzen, diese Produkte landen anschließend auch auf dem Markt für Grenzüberwachung. Die EU-Kommission will den Firmen auch Zugang zu Mitteln aus der zivilen Forschung erleichtern, wo besonders die Bereiche KI und „disruptive Technologien“25 im Mittelpunkt stehen.

In ihrem Anfang 2021 vorgelegten Aktionsplan für Synergien zwischen der zivilen, der Verteidigungs- und der Weltraumindustrie fordert die Kommission, dass „die EU-Finanzierung von Forschung und Entwicklung, einschließlich der Bereiche Verteidigung und Raumfahrt, wirtschaftliche und technologische Vorteile für die EU-Bürger mit sich bringt (die ‚Spin-offs‘)“.

Umgekehrt heißt es, dass die Nutzung von Forschungsergebnissen der Zivilindustrie und Innovationen, die von der Zivilbevölkerung ausgehen, in Projekten der europäischen Verteidigungszusammenarbeit erleichtert wird (die „Spin-ins“).26 Diese Weichenstellung räumt der Sicherheitsindustrie in der EU eine zukunftsgestaltende Rolle ein, die zu einer weiteren Militarisierung der inneren und äußeren Sicherheitspolitik der EU beitragen wird – eine Rolle, die die sozialen Bewegungen und Organisationen vehementer für sich beanspruchen müssen, um mit der rassistischen und umweltzerstörerischen „Ökonomie der Angst“ zu brechen.


Anmerkungen

1 Violence flares during Calais migrant camp eviction, www.infomigrants.net/ en/post/37616/france-violence-flares-during-calais-migrant-camp-eviction

2 Political Crisis initiated by the regime of Alexander Lukashenka. Polish-Belarusian border brief – update by 3 January 2022, Polnische Regierung v. 3.1.2022, www.gov.pl/web/libya/political-crisis-initiated-by-the-regime-of-alexander-lukashenka-polish-belarusian-border-brief-no6-3-january-2022

3 Rede der Präsidentin von der Leyen zur Lage der Union: Die Seele unserer Union stärken v. 15.9.2021

4 Frontex Files – Der militärisch-grenzpolizeiliche Komplex, netzpolitik.org v. 5.2.2021, https://netzpolitik.org/2021/frontex-files-der-militaerisch-grenzpolizeiliche-komplex

5 Frontex and Lithuania agree on service weapons delivered to Frontex standing corps officers, Frontex v. 9.12.2021

6 Nehammer: Europa geeint für den Schutz der EU-Außengrenze, BMI Österreich v. 12.3.2020, https://bmi.gv.at/news.aspx?id=346C5464734B395477594D3D. Auch in Deutschland erfreuen sich diese Fahrzeuge steigender Beliebtheit. Rheinmetall liefert ab 2023 insgesamt 55 Survivor R an die Bundespolizei und Bereitschaftspolizeien, weitere Aufträge sollen folgen. Bislang werden die Polizeipanzer von Spezialkräften einiger Landespolizeien genutzt. Sie können mit weiteren Waffen, darunter auch Schallkanonen, aufgerüstet werden, vgl. Survivor R wird neuer „Sonderwagen 5“, vgl. www.cilip.de/2021/12/11/bundesinnenministerium-kauft-polizeipanzer-survivor-r-von-rheinmetall

7 Seepiraterie – Deutsche Gegenwehr hilft, Deutsche Welle v. 27.3.2013

8 www.copernicus.eu/de/dienste/sicherheit

9 Monroy, M.: Unbemannte Überwachung der Festung Europa, in: Europäische Studien zur Außen- und Friedenspolitik 3/2021, S. 12, https://oezlem-alev-demirel.de/wp-content/uploads/2021/06/Grenzdrohnen-Studie-Monroy.pdf

10 Precisely Wrong, Gaza Civilians Killed by Israeli Drone-Launched Missiles, HRW v. 30.9.2009, www.hrw.org/report/2009/06/30/precisely-wrong/gaza-civilians-killed-israeli-drone-launched-missiles#_ftnref14

11 Monroy a.a.O. (Fn. 9), S. 13. Aerostats von CNIM werden u.a. vom französischen Militär zur Überwachung ihrer Stützpunkte im Sahel genutzt, vgl. CNIM Soars with New Aerial Coastal Surveillance Solutions, Navalnews v. 18.10.2020, www.navalnews.com/event-news/euronaval-2020/2020/10/euronaval-cnim-soars-with-new-aerial-coastal-surveillance-solutions

12 HENSOLDT to support Frontex maritime surveillance project, Hensoldt v. 26.8.2021

13 Deutsche Technik für den türkischen Drohnenkrieg, netzpolitik.org v. 12.10.2021, https://netzpolitik.org/2021/raketen-und-sensoren-deutsche-technik-fuer-den-tuerkischen-drohnenkrieg

14 España prepara un nuevo modelo fronterizo para Ceuta y Melilla, El Pais v. 13.12.2021

15 Greece: New Biometrics Policing Program Undermines Rights, HRW v. 18.1.2022, www.hrw.org/news/2022/01/18/greece-new-biometrics-policing-program-undermines-rights. Polizeibeamt*innen sollen mobil und ortsungebunden biometrischen Daten abnehmen und mit Datenbanken abgleichen können. Finanziert ist das Vorhaben zu 75% durch den EU-Fonds für Innere Sicherheit.

16 Baird, T.: Interest groups and strategic constructivism: businessactors and border security policies in the European Union, Journal of Ethnic and Migration Studies, Vol. 44, No. 1, 2018, DOI: 10.1080/1369183X.2017.1316185, S. 118-136, S. 124

17 ebd., S. 122

18 War starts here, A guided tour about the arms industry lobbying in Brussels, https://corporateeurope.org/sites/default/files/publications/war_starts_here.pdf

19 Quaranta, G.: Horizon Europe Cluster 3: Civil Security for Society, Agenzia per la Promozione della Ricerca Europea, uniroma1.it, 28.5.2021

20 Enhanced security and management of borders, maritime environment, activities and transport, by increased surveillance capability, including high altitude, long endurance aerial support, https://ec.europa.eu/info/funding-tenders/opportunities/portal/screen/ opportunities/topic-details/horizon-cl3-2021-bm-01-01

21 Increased safety, security, performance of the European Border and Coast Guard and of European customs authorities, https://ec.europa.eu/info/funding-tenders/opportunities/portal/screen/opportunities/topic-details/horizon-cl3-2021-bm-01-02

22 Improved border checks for travel facilitation across external borders and improved experiences for both passengers and border authorities’ staff, https://ec.europa.eu/info/funding-tenders/opportunities/portal/screen/opportunities/ topic-details/horizon-cl3-2021-bm-01-03

23 Demirel, Ö.; Wagner, J.: DG Defence. „Ministerium für europäische Verteidigung und Rüstung“, in: IMI-Analyse 2019/39, 19. 12.2019

24 Lasch, C.: Europäische Aufrüstung und Europäischer Verteidigungsfonds – eine erste Bilanz, in: IMI-Studie 2021/9, 2.12.2021

25 Der Begriff meint innovative Technologien, die ein bestehendes Produkt, Verfahren oder Dienstleistung ersetzen oder verdrängen.

26 Communication from the Commission to the European Parlament, the Council, the European Economic and Social Committee and the Commitee of the Regions, Action Plan on synergies between civil, defence and space industries v. 22.2.2021

Alle Macht der politischen Polizei. Aber wer sind die «Gefährder»?

Vom 15. bis 19. August halten Polizei und Armee in Bern die Übung «Fides» (Vertrauen) ab. Dagegen regt sich Widerstand.
Wir werden in den nächsten Wochen in unregelmässigen Abständen auf barrikade.info und auf unserem Blog Texte veröffentlichen, die wir zur Thematik lesenwert finden und welche möglicherweise als Grundlagen für Diskussionen dienen können. Dabei teilen wir nicht immer zu hundert Prozent alle Inhalte der publizierten Texte. Es geht uns in erster Linie darum, Grundlagen für Diskussionen zu schaffen.


Dieses Mal schlagen wir den Text „Alle Macht der politischen Polizei. Aber wer sind die «Gefährder»?“ zur Lektüre vor. Dieser wurde 2018 vom ajour magazin veröffentlicht (https://www.ajourmag.ch/wer-sind-die-gefahrder-3/) und befasst sich mit neuen Gesetzen zur „Terrorismusbekämpfung“ in der Schweiz. Obwohl schon etwas älter, halten wir den Artikel für sehr informativ. Was sich seit der Veröffentlichung am gravierendsten verändert hat: Die Gesetze sind mittlerweile alle in Kraft getreten.

Von Oliver Mando und Gionduri Caprez.

Mehr präventive Gewalt. Das fordert SP-Bundesrätin Sommaruga. Im Dezember schickte sie das neue Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) in die Vernehmlassung. Unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung sollen die Machtmittel der Bundespolizei (fedpol) ausgeweitet werden. Neu soll das fedpol Personen präventiv überwachen, isolieren und in ihrer Bewegungsfreiheit einschränken dürfen, falls diese als sogenannte «Gefährder» eingestuft werden. Damit beginnt ein neues Kapitel in der Geschichte der politischen Polizei in der Schweiz.

Seit Anfang März ist nun das Büpf in Kraft, das revidierte Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs. Dieses erlaubt den Repressionsbehörden, unser digitales Verhalten auf Schritt und Tritt zu verfolgen. Doch schon bald könnte es noch dicker kommen! Noch bis Ende März läuft die Vernehmlassung über die präventiven, polizeilichen Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT). Dann wird sich zeigen, wie gross der neuste Schritt sein wird. Jedenfalls wird es ein Schritt weg vom Strafrecht – das begangene, nachweisbare strafbare Handlungen sanktionieren soll – hin zu einem Polizeirecht, in dem die Unschuldsvermutung abgeschafft und Menschen präventiv bestraft werden, um sie fügsam zu machen.

Wer sind die «Gefährder»?

Im Visier des neuen PMT sind sogenannte «Gefährder». Das Wort stammt aus Deutschland, wo es 2007 der damalige CDU-Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble popularisiert hatte. Die Schweiz ist erst jüngst auf den Zug aufgesprungen und hat den äusserst schwammigen Begriff dankbar übernommen. Gemeint sind Personen, gegen die kein genügender Verdacht besteht, um ein Strafverfahren zu eröffnen, denen die Behörden aber nachsagen, dass sie «gewaltextremistische» oder «terroristische» Taten begehen könnten.
Um von der Polizei als «Gefährder» eingestuft zu werden, reichen Anhaltspunkte wie «die Kontaktpflege zu Personen, die zu terroristischer Gewalt aufrufen; das Erstellen von Social-Media-Profilen und das Weiterverbreiten (durch das «Befürworten» (z.B. auf Facebook liken) oder das «Verlinken») terroristischer Inhalte und Äusserungen; erste Abklärungen oder anderweitige Vorkehrungen, die auf eine Reise in Konfliktgebiete (z.B. das Austesten von Sicherheitsvorkehrungen an einem Flughafen) oder den Anschluss an ein terroristisches Netzwerk schliessen lassen.» So steht es im fedpol-Bericht zur Vernehmlassung.

Was gilt als «gewaltextremistische» oder «terroristische» Tat?

Damit gemeint sind Taten «mit denen die Bevölkerung eingeschüchtert oder ein Staat oder eine internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen genötigt werden soll.» Zu solchen Taten zählen vorsätzliche Tötung und Mord, aber auch schwere Körperverletzung, Verursachung einer Explosion, Gefährdung der öffentlichen Sicherheit mit Waffen, Unterstützung oder Beteiligung an einer terroristischen Organisation oder Finanzierung des Terrorismus bis hin zur öffentlichen Aufforderung zu Verbrechen oder zur Gewalttätigkeit.
In der Schweiz kommt es immer wieder vor, dass Teilen der radikalen Linken solche Taten vorgeworfen werden. Gilt künftig beispielsweise als «Gefährder», wer sich mit Antifaschist*innen solidarisiert, die eine Nazikneipe mit Pfeffersprays angreifen, wer an einem Solibrunch teilnimmt, um den bewaffneten Widerstand in Kurdistan finanziell zu unterstützen, wer auf Facebook ein Photo des «Kill Edogan with his own weapons»-Transpis liked oder wer das Communiqué der nächsten Sabotageaktion gegen den Bau des Ausschaffungsknasts Bässlergut auf barrikade.info verbreitet? Diskursiv zumindest wird der Begriff des Terrorismus bereits fleissig ausgeweitet. Und das nicht nur in der Türkei, wo längst jede oppositionelle Regung als Terrorakt gilt. In Deutschland gab es kaum ein*e Politiker*in, die*der die militanten G20-Demonstrant*innen nicht als «Terroristen» bezeichnet hatte. Und in Spanien wurden erst vor wenigen Tagen die beiden linken und antimonarchistischen Rapper Pablo Hasel und Valtonyc zu mehrjähriger Haft wegen «Terrorismusverherlichung» verurteilt.

Einschränkungen der Bewegungsfreiheit

Mit dem PMT dürfte das fedpol neu die Mobilität der so genannten «Gefährder» einschränken, indem sich diese regelmässig bei einem Polizeiposten oder einer anderen Behörde melden müssten. Ebenfalls dürfte es Ausreiseverbote verhängen und Reisepässe oder Identitätskarten beschlagnahmen, sowie Ein- und Ausgrenzungen aussprechen. Letzteres würde bedeuten, dass Personen den Zugang zu einem bestimmten Gebiet oder Rayon verboten wird oder sie ein bestimmtes Gebiet nicht verlassen dürfen. Sogar Hausarrest bzw. die «Eingrenzung auf eine Liegenschaft» ist vorgesehen.

Isolation vom Umfeld

Nebst Rayonverboten könnte das fedpol auch Kontaktverbote aussprechen, um «Gefährder» von einem so genannt «kriminogenen Umfeld» zu trennen, damit dieses keinen schädlichen Einfluss mehr auf die Person ausüben kann. Zudem ist im Gesetzesentwurf vorgesehen, als «Gefährder» eingestufte Migrant*innen zu verhaften und auszuschaffen.

Ausbau der Überwachung

Die neuen präventiven Massnahmen werden im PMT ergänzt durch mehr Überwachungsmöglichkeiten. Erstens dürften «Gefährder» über Mobilfunklokalisierung und technische Ortungsgeräte wie elektronische Fussfesseln geortet werden. Zweitens ermöglicht der Gesetzesentwurf einen intensiveren Informationsaustausch zwischen staatlichen Repressionsapparaten wie Grenzwachtkorps, Zoll, Transportpolizei des Bundes, Staatssekretariat für Migration (SEM) und Nachrichtendienst des Bundes (NDB) sowie dem fedpol. Drittens würde das fedpol befugt werden, im Internet und in elektronischen Medien verdeckt zu fahnden.

Dritter Teil eines Ganzen

Das PMT ist der dritte Umsetzungsschritt der schweizerischen Strategie zur Terrorismusbekämpfung aus dem Jahr 2015. Der erste Schritt bestand in einer Teilrevision des Strafgesetzbuches (StGB). Darin wird unter anderem vorgeschlagen, die Höchstgrenze der Haftstrafen für terroristische Taten abzuschaffen, sowie die Unterstützung von terroristischen Taten durch bspw. Propaganda oder Geld mit bis zu zehn Jahren Haft zu bestrafen. Die Verschärfung des Strafrechts war bereits in der Vernehmlassung und wurde positiv aufgenommen.
Der zweite Schritt stellt der «Nationale Aktionsplan zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus» (NAP) dar. Diesen haben die Kantone, Städte, Gemeinden und der Bund im November 2017 einstimmig verabschiedet. Während das StGB und das PMT Repression beinhalten, setzt der NAP eher auf Ideologie und Integration.

Ziel ist es erstens, mehr Wissen und Expertise zu «Radikalisierung» und «gewalttätigem Extremismus» zu generieren. Beispielsweise durch die Lancierung von spezifischen Forschungs­projekten und Studien, sowie die Entwicklung von Aus­- und Weiterbildungsangeboten. Zweitens geht es um die intensivere Zusammenarbeit und Koordination aller staatlichen und quasi-staatlichen Akteure. Diese Zusammenarbeit soll erreicht werden, indem spezifische Fach-­ und Beratungsstellen geschaffen werden und indem auf Organisationen und Institutionen der Zivilbevölkerung eingewirkt wird. Konkret gemeint sind Migranten-­, Sport­-, Jugend-­ und Frauenvereine, Hilfswerke und religiös tätige Organisationen. Drittens sollen «extremistisches Gedankengut und Gruppierungen» verhindert werden durch die «Förderung der aktiven Bürgerschaft, Stärkung der Demokratie und Verhinderung von Diskriminierungen» oder durch das Verbreiten von Gegennarrativen und alternativen Narrativen, um eine Radikalisierung via Internet zu verhindern.

Nach dem Strafvollzug ist vor dem Strafvollzug

Falls die Behörden zum Schluss kommen, dass bei einer Person die Massnahmen des NAP wirkungslos bleiben, könnten sie diese Person schon bald entweder der präventiven Gewalt des PMT aussetzen oder über das verschärfte StGB sanktionieren. Exemplarisch für den eingangs erwähnten Paradigmenwechsel ist, dass Menschen, die einmal ins Visier staatlicher Repression geraten, nicht mehr so schnell wieder herauskommen. Eine Straftat wird in der Haft nicht mehr abgesessen. Vielmehr gilt: nach dem Strafvollzug ist vor dem Strafvollzug. Denn aus der Haft Entlassene gelten entweder als Radikale, die über das NAP von ideologischen Staatsapparaten angegangen werden oder als «Gefährder», die den präventiven Massnahmen des PMT ausgesetzt sind.

Gegenwärtig erhält leicht Zuspruch, was als Terrorismusbekämpfung angepriesen wird. Die Gefahr, dass die Behörden uns radikale Gegner*innen der herrschenden Ordnung als «Gefährder» einstufen und somit ständiger Gewalt und Repression aussetzen, ist deshalb greifbar nah. Einen Vorgeschmack gab es beispielsweise während einer Ständeratsdebatte im Nachgang der G20-Proteste von Hamburg. «Polit-Hooligans», «Gewaltextremisten» und «Krawallmacher» sollen künftig mit einem Ausreiseverbot belegt werden, wenn politische Veranstaltungen im Ausland anstehen. Das beschloss der Ständerat mit 28 zu 11 Stimmen. Der Nationalrat wird wohl folgen.


MANIFESTACIÓN

No Fides CONTRA VIOLENCIA POLICIAL MILITARIZACIÓN Y VIGILANCIA

Del 15. al 19. de agosto la Policía y Fuerzas Armadas realizarán en Berna el ensayo llamado “Fides” (confianza). Con el absurdo escenario inventado de una “constante amenaza terrorista” por la que la Seguridad se debería entrenar en una “infraestructura más crítica”, como centros de datos de economías energéticas y centros de distribución de diferentes bienes, así como en significativas zonas de tránsito e infraestructuras de Gobierno.

 

La Policía y la Milicia quieren mostrarse como protectores dignes de confianza. De todos modos, estas instituciones marcadas por el racismo y el patriarcado no sólo representan una imagen reactiva de la masculinidad, de grupos de hombres, del patriotismo, de supuesta fuerza y honor, sino que también vigilan día a día las rejas en las fronteras, practican Racial Profiling e imponen deportación a través de esto. Las Fuerzas Armadas estatales se preparan a defender las condiciones de poder autoritarias – y si es necesario, con violencia letal.

En el ensayo “Fides” de este año, se habla de una “constante amenaza terrorista”. Aún así logra el Estado con el término “terrorismo”, un estigma enemigo bajo el cual varios grupos de resistencia y movimientos de izquierda consensuan la legitimizacion de sus activismos y críticas a las actuales condiciones de poder. Fuertes leyes simplifican el trabajo de instituciones represivas contra activistas y sus organizaciones. Por ejemplo en Francia, el gobierno clasificó a más de cien agrupaciones antifascistas como un peligro terrorista y les prohibió utilizar el mismo tren. Las medidas represivas dificultan significativamente el trabajo antifascista. Estos desarrollos hacen aparecer la pregunta ¿Qué agrupaciones y movimientos serán criminalizades en el futuro? Por ejemplo, ¿Actuarán en contra les militares cuando la juventud activista por el clima se manifieste para exponer uno de los temas más urgentes y actuales? ¿Va la policía y las Fuerzas Armadas a combatir el trabajo antifascista y jugarse en las manos la banalización mundial del fascismo.
Este año, anteponiendo la operación Fides, manifestaremos en la calle el domingo 14 de agosto nuestras diferentes afecciones y críticas a la policía y a la milicia. Las limitaciones cotidianas a través de los órganos represivos del Estado son masivas, y la recepción de estas condiciones estructurales de poder, resultan muy vulnerables a través de la protección de éstas instituciones. Sin embargo, esto no nos incapacitan a criticar fundamentalmente al Estado como institución y sus prácticas violentas. Tampoco nos incapacita a estar en contra de su deslegitimación hacia nosotres, nuestros pensamientos y lucha. Ningún Estado, ninguna policía, ni ninguna milicia pueden impedir nuestras ideas, de una sociedad libre de represión, violencia, discriminación y opresión.

Convocatoria para el domingo 14 de agosto a las 15 hrs. en la Schützenmatte.

NO FIDES  – NUNCA CONFÍES EN LA POLICÍA, SOLDADES, O EN EL ESTADO.

Acotación: Esta manifestación no estará permitida. Encontramos absurdo en este contexto pedir permiso para criticar las condiciones de poder de las autoridades. Y somos conscientes que en las manifestaciones y especialmente al no estar permitidas, no presenta accesibilidad para que asistan todes

Programma


Dal 12 al 19 agosto, sarà presente un punto informativo presso la Brasserie Lorraine (Quartierstrasse 17, 3013 Berna). Anche gli eventi informativi della Brasserie Lorraine sono accessibili alle sedie a rotelle. Cercheremo di organizzare le traduzioni in loco. Per i posti letto, inviare un’e-mail a nofides@immerda.ch


Violenza poliziesca razzista nel caso Oury Jalloh.

Ven. 12 agosto 2022, 20.00 al Brasssäli, Quartiergasse 17, 3013 Bern (Accessibile con sedia a rotelle)

17 anni fa, il richiedene l’asilo Oury Jalloh viene ucciso in modo brutale in una cella individuale del commissariato di Dessau (Germania). All’omicidio segue una storia incredibile di protezione degli autori, di dissimulazione e di repressione contro i/le* attivist* che chiedono il chiarimento del caso. Delle persone dell’ “Iniziativa Oury Jalloh” parleranno del loro lavoro di lunga durata, della loro campagna e della loro esperienza con le istituzioni che fanno uso della violenza. Questo caso mostra in modo esemplare quali siano le funzioni della polizia e della giustizia nel nostro sistema, chi viene protett*, quali persone sono colpite dalla violenza poliziesca e come le istituzioni stesse tentino di proteggersi dalla critica e dal confronto con la propria violenza”.
Info: https://initiativeouryjalloh.wordpress.com/


Di terrorismo e di persone pericolose – contro chi sono dirette le nuove leggi antiterrorismo?

Sab. 13 agosto 2022, 17.00, al Brasssäli, Quartiergasse 17, 3013 Bern (Accessibile con sedia a rotelle)

Con “Fides”, l’esercito e la polizia ripetono lo scenario di una “minaccia terroristica” di lunga durata. L’esercitazione militare si iscrive nel clima attuale di ossessione securitaria. Nei fatti, le leggi antiterrorismo negli Stati Uniti, in Europa occidentale e, da poco anche in Svizzera, permettono alla giustizia di adottare un numero sempre maggiore di misure atte a controllare e punire e contemporaneamente di sviluppare uno Stato di sorveglianza sempre più totale. Cosa si nasconde dietro il discorso sul “terrorismo” e le “persone pericolose”? Come sono apparsi questi concetti? Chi sono le persone minacciate dalle nuove leggi antiterrorismo svizzere? Quali sviluppi si possono osservare in altri paesi – come gli Stati Uniti – dove le leggi antiterrorismo sono in vigore da molto tempo?


Esercito, mascolinità e militanza.

Sab. 13 agosto 2022, 20.00 al Brasssäli, Quartiergasse 17, 3013 Bern (Accessibile con sedia a rotelle)

Come si sono sviluppate le mascolinità militarizzate e qual’è il loro legame con le società militarizzate ed il nazionalismo? Discuteremo insieme di queste questioni. Più importante ancora, in un secondo momento rifletteremo sul modo in cui queste mascolinità tossiche vengono riprodotte nei collettivi antiautoritari. Come si esprimono e cosa implica entrare in rottura radicale con questi modelli di mascolinità? Come agire?


Manif contro la violenza poliziesca, la militarizzazione e la sorveglianza.

Appuntamento domenica 14 agosto alle 15.00 alla  Schützenmatte, a Berna.

chiamata


Frontiera esterna dell’UE in Bosnia: sulla violenza ai confini e le lotte contro di essa.

Lun. 15 agosto, 19.00 al Brasssäli, Quartiergasse 17, 3013 Bern (Accessibile con sedia a rotelle)

“Rotta dei Balcani”: profilazione razziale e violenze poliziesche contro il movimento sociale della migrazione. “Ci troviamo qui perché eravate là”. La migrazione può essere letta come una pratica quotidiana di riapropriazione. La fortezza Europa si chiude a questo movimento sociale. La presentazione affronta la situazione attuale sulla rotta detta “dei Balcani”. La polizia locale alle frontiere e Frontex colpiscono le persone migranti con una violenza illegale che le priva dei propri diritti. Il punto di partenza della presentazione è il lavoro di solidarietà svolto sul posto alfine di sostenere la libertà di movimento di tutte le persone migranti.


Critical Mass (manifestatione in bici, ecc.)

Ma. 16 agosto 2022, 19.00 Thunplatz, Berna.

Prendiamo le strade con le nostre bici, rollers, trotinettes ecc. Con il vento tra i capelli, portiamo un po’ di vita e forse di caos nelle strade del quartiere delle ambasciate – e oltre, perché siamo veloci e agili.


Nuova legge di polizia nel canton Berna.

Me 17 agosto 2022, 19:30 Cinema Reitschule, Bern

„Scongiurare il pericolo“ è il compito principale della polizia in Svizzera. Le leggi di polizia cantonali stabiliscono quali compiti, al di fuori delle indagini sui reati, sono inclusi, come possono essere attuati e quali competenze ha la polizia di conseguenza. Con la nuova legge sulla polizia del Cantone di Berna, entrata in vigore il 1° gennaio 2020, queste possibilità sono state nuovamente ampliate.
Cosa è cambiato con la nuova legge sulla polizia? Cosa può fare la polizia e su quali basi legali può effettivamente basarsi per le sue azioni? Queste sono le domande affrontate in questa panoramica della nuova legge sulla polizia.


Gioco “guardie e ladri/e*”

Gio. 18 agosto 2022, 19.00 Falkenplatz , Berna.

Porta dei gadget divertenti per una serata dinamica.

Manifestazione

No fides – Manifestazione contro la violenza poliziesca, la militarizzazione e la sorveglianza.

Dal 15 al 19 agosto, la polizia e l’esercito organizzano a Berna l’esercitazione “Fides” (fiducia). Lo scenario assurdo di una “minaccia terroristica di lunga durata” viene usato per mettere in piedi la protezione delle “infrastrutture critiche”, come i centri di calcolo del settore dell’energia ed i centri di distribuzione di varie merci, o le importanti infrastrutture statali e dei trasporti.

La polizia e l’esercito vogliono presentarsi come delle istanze di fiducia e di protezione. Tuttavia, queste istituzioni patriarcali e razziste non solo difendono un’immagine reazionaria della mascolinità e dell’“alleanza maschile”, del “sangue e del suolo”, di una certa idea di presunta forza e onore, ma sorvegliano quotidianamente le frontiere, praticano la profilazione razziale e impongono dei voli di deportazione. In quanto braccio armato dello Stato, hanno l’obiettivo di difendere le condizioni attuali di dominio – se necessario con la violenza letale.

L’esercitazione “Fides” di quest’anno si concentra su una “minaccia terroristica di lunga durata”. Con il concetto di “terrorismo”, lo Stato ha creato da ormai molto tempo un’immagine del “nemico” per mezzo della quale viene negata con insistenza sempre maggiore la legittimità dei movimenti di resistenza e di sinistra, l’attivismo e la critica alle condizioni esistenti. L’inasprimento della legislazione facililita il lavoro della repressione contro le/gli* attivist* e le loro strutture. In Francia, per esempio, il governo ha classificato come minaccia terroristica oltre cento gruppi antifascisti rendendoli illegali. Le misure repressive rendono ormai estremamente difficile il lavoro antifascista. Questi sviluppi repressivi lasciano presagire la criminalizzazione di altri gruppi e movimenti in futuro. Per esempio, potrebbe essere mobilitato l’esercito nel caso in cui il movimento dei/delle* giovani per il clima dovesse mettere in atto dei blocchi al fine di portare una delle cause più urgenti all’attenzione del pubblico? La polizia e l’esercito verranno impiegate per combattere le attività antifasciste, seguendo la scia della banalizzione del fascismo in atto a livello mondiale?

Domenica 14 agosto, in apertura dell’esercitazione “Fides” di quest’anno, porteremo in strada le nostre idee e le nostre critica contro lo Stato, la polizia e l’esercito. Le restrizioni imposte dagli apparati repressivi dello Stato nella quotidianità sono massicce ed il mantenimento dei rapporti di forza strutturali sembra difficilmente attaccabile. Ma questo non ci impedisce di lottare e criticare le fondamenta stesse dello Stato in quanto istituzione ed il suo esercizio della violenza. E non ci impedisce nemmeno di difenderci dalla delegittimazione di noi stess*, del nostro pensiero e delle nostre lotte. Nessuno Stato, nessuna polizia, nessun esercito al mondo possono arrestare le nostre idee per una società senza repressione e senza violenza, senza discriminazione e senza oppressione.

Concentramento: domenica 14 agosto alle 15.00 sulla Schützenmatte a Berna.

No Fides – nessuna fiducia in sbirri, soldati o nello Stato!

Nota: questa manifestazione non sarà autorizzata. Chiedere un permesso per poter criticare la situazione attuale ci sembra assurdo, soprattutto in questo contesto. Siamo coscienti che le manifestazioni, in particolare quando non sono autorizzate, non siano una forma di azione accessibile a tutt*.

No Fides: Das Jahr 2020 – ein Virus trifft auf ein NATO Papier

Vom 15. bis 19. August halten Polizei und Armee in Bern die Übung «Fides» (Vertrauen) ab. Dagegen regt sich Widerstand.
Wir werden in den nächsten Wochen in unregelmässigen Abständen auf barrikade.info und auf unserem Blog Texte veröffentlichen, die wir zur Thematik lesenwert finden und welche möglicherweise als Grundlagen für Diskussionen dienen können. Dabei teilen wir nicht immer zu hundert Prozent alle Inhalte der publizierten Texte. Es geht uns in erster Linie darum, Grundlagen für Diskussionen zu schaffen.

Dieses Mal teilen wir den Text „Das Jahr 2020 – ein Virus trifft auf ein NATO Papier“, welcher im Dezember 2020 erstmals veröffentlicht wurde (z.B. hier: https://kontrapolis.info/1295/). Der Text stellt Militarisierung in den Kontext der repressiven Corona Massnahmen und bezieht sich dabei auf den Nato Bericht „Urban Operations in the year 2020“. Dazu gab es auch mal den Text „Militär in den Strassen“ der 2009 auf Italienisch und 2013 auf Deutsch erschienen ist. Da dieser etwas lange ist, würden wir ihn hier einfach noch verlinken: https://we.riseup.net/assets/206493/Milit%C3%A4r%20in%20den%20Stra%C3%9Fen.pdf

Vor 17 Jahren veröffentlichte die NATO ihren Bericht „Urban Operations in the Year 2020“, der eine strategische Neuausrichtung für den Krieg in Städten behandelt. In Zukunft sollen Städte nicht mehr durch die eigene Luftüberlegenheit dem Erdboden gleichgemacht werden, sondern möglichst funktionsfähig übernommen werden. Dies vor dem Hintergrund, dass die globalen Eliten weder auf das Leben in den Metropolen noch auf die dortigen Knotenpunkte der Macht verzichten wollen, und die umkämpften Städte dieses Jahrhunderts zunehmend in den NATO Staaten selbst prognostiziert werden.

Als Grundlage des Berichts dienen Erfahrungen, die bei der Intervention in Mogadischu 1993, den Unruhen in Los Angeles 1992, während der britischen Besatzung in Belfast, dem Bürgerkrieg in Beirut (wo US- ,französische und italienische Truppen 1983 hinaus gebombt wurden), den brasilianischen Favelas (wo immer noch paramilitärisch gegen die Bewohner*innen vorgegangen wird) und ähnlichen Orten gemacht wurden. Das entworfene Szenario geht davon aus, dass immer mehr Menschen in die Metropolen der sog. Dritten Welt strömen werden, weil dort ihre einzige Überlebenschance vor Hunger und Umweltkatastrophen scheint und ein erheblicher Anteil dieser Flüchtlinge irgendwann auch in den Metropolen der sog. Ersten Welt stranden wird, die gleichzeitig Schauplatz von Konkurrenz- und Verdrängungskämpfen innerhalb der einheimischen Gesellschaft werden. (1)

Der Bericht beginnt mit einer grundlegenden Offensichtlichkeit: Die menschlichen Müllkippen, die sich an den Rändern der Städte und zwischen ihnen befinden, stellen wahre Pulverfässer dar, dazu bestimmt, auf eine in ihren Effekten und Dynamiken schwer vorhersehbare Art und Weise zu explodieren, nicht allein was die Anzahl der möglichen Aufständischen und ihre Zusammensetzung betrifft, sondern auch aufgrund der komplizierten Gestaltung der heutigen Stadtgebiete.

Die ganze Geschichte dreht sich im Wesentlichen um die Fähigkeit der Streitkräfte, in Situationen mit asymetrischen Konflikten zu operieren, in denen der Feind nicht in einer regulären Armee organisiert ist, sondern in einer heterogenen Masse von „Irregulären“ besteht, die andererseits in der Lage sein könnten, moderne technologische Ausrüstungen einzusetzen. Der Bericht UO 2020 (2) bezeichnet folglich „asymetrische Bedrohungen, Technologieentwicklung und Einsätze in Städten“ als „grundsätzliche Charakteristika und mögliche Herausforderungen künftiger Einsätze der Allianz“. Es wird besonders betont, dass seit Jahren auffällt, dass „ein Aufständischer in überfüllten Städten freier und effektiver“ handeln kann, und „die Ordnungskräfte wiederholt, bei stark reduziertem Risiko angreifen“ kann.

In ihrem Bericht geht die NATO davon aus, nicht alleine militärisch in Städten vorzugehen. Eine Reihe weiterer Institutionen soll die Kontrolle des Gebietes sichern, das sind zivile Behörden, die Presse, Oppositionelle, natürlich die Polizei etc. Das gemeinsame Vorgehen muss rechtzeitig geübt werden und als erster Testlauf bot sich New Orleans an, wo der Hurrikan Katrina 2005 durch Überflutung der Stadt und der „Armenviertel“, einen Bevölkerungsaustausch ermöglichte. Zunächst wurde militärisch gegen Plünderer und Unruhen vorgegangen, dann wurden die „historischen“ schwarzen Einwohner*innen vom Zivilschutz außerhalb der Stadt angesiedelt, die für Besserverdiener komplett neu aufgebaut wurde.

Auch beim Erdbeben in den Abruzzen 2009 konnte die logistische Abteilung der italienischen Armee, die mit der Anwendung des Urban Operations 2020 Ansatzes betraut ist, ganze Arbeit leisten. Die Stadt Aquila mit 60.000 Einwohner*innen wurde zur Hälfte in Lager an der Küste evakuiert, von 70.000 Uniformträger*innen der verschiedenen Organe: Heer, Carabinieri, Gemeindepolizei, Rioteinheiten der Finanzpolizei, Forstpolizei und Zivilschutz. Der Zivilschutz ernannte in den Lagern Verantwortliche um die jeweilige Community besser kontrollieren zu können.

Auch wenn in Westeuropa den Herrschenden kein echtes Aufstandszenario droht – im Gegensatz zu den USA – geht staatliches Denken für Krisenfälle immer vom worst case aus. In den militärischen und polizeilichen Stäben liegen seit jeher Pläne für revolutionäre Eruptionen vor.

Nachdem die westlichen Industrienationen ihre gesetzlichen Bestimmungen über diverse Formen des Ausnahmezustands mit Verweis auf den islamistischen Terror seit 2001 sukzessive ausgebaut hatten, bot das Jahr 2020 mit dem Erscheinen von Covid-19 ganz neue Möglichkeiten eines Manövers unter realen Bedingungen. Und zwar genau solche, die eine völlige Kontrolle der Stadt im Sinn des NATO Berichts und damit verbundenen Vorstellungen von sicheren, investitionsfreundlichen Smart Cities ermöglichen sollen. In Madrid werden Leute auf der Straße von Drohnen angesprochen, wenn sie sich nicht an die Ausgangssperre halten. In Athen verfolgen Drohnen politische Treffen, die unter freiem Himmel stattfinden und für die Genehmigung zum Einkaufen muss eine SMS an den Staat geschickt werden. Wer in Pariser Banlieues lebt wird sechsmal wahrscheinlicher für Verstöße gegen Ausgangsbeschränkungen kontrolliert als im Zentrum. In Berliner Bezirken sind Gesundheitsämter mit Bundeswehrsoldaten und BKA Beamten zur Kontaktverfolgung Infizierter besetzt. Das und noch vieles mehr versehen mit der Aufforderung zu sozialer Distanzierung, ist natürlich ein Traum totalitärer Regime, an dessen Erfüllung noch vor einem Jahr niemand glaubte.

Die völlige Kontrolle über die Bewegung des/der Einzelnen, die autoritäre Zurichtung und steigendes Vertrauen in den Staat, die Ausschaltung jeder unerwünschten politischen Betätigung und das Entziehen aller Orte und Räume in denen konspiriert werden kann und sich Widerstand materialisiert, das sind die nicht mit militärischer Gewalt angestrebten Ziele des UO 2020 Berichts. Gleichzeitig ergeben sich Rückschlüsse über die Belastbarkeit der Gesundheitssysteme und der Wirtschaft sowie der Geduld der Bevölkerung. In der Stadt vermischt sich aus Sicht der Administration ein Kampfterrain mit den Investitionsfeldern und den eigenen Gated Communities. Die Vernachlässigung und Aufgabe von Vierteln aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen, findet in der modernen Stadtplanung keinen Platz mehr. Der Staat, egal ob er in seiner Eigenschaft als NATO-Armee oder als Polizei, zivile Verwaltung etc. auftritt, folgt einer Doktrin, die jeder antagonistischen Tendenz den physischen Raum entziehen muss. Als antagonistisch können eingestuft werden: Wir, autonome/linksradikale/antifaschistische Strukturen und Hausprojekte, migrantische Communities, bedrängte Mieter*innen, informelle Organisierungen aller Art oder „Überflüssige“ die nicht zu verwerten sind. Der Raum, der zu entziehen ist um ihn durch die gewünschte gesellschaftliche Norm zu ersetzen, wird mit wenigen Worten kategorisiert: „sozialer Brennpunkt“, „No-Go-Area“, „Kriminalitätsbelasteter Ort“, „Gefahrengebiet“ , wobei es sich um Parks, besetzte Häuser, proletarische Stadtteile usw. handeln kann.

Corona ist natürlich keine Erfindung der NATO, die für Anfang des Jahres das Großmanöver Defender 2020 geplant hatte (und es schnell wegen des Virus beerdigte), sondern hat sich als Auslöser für die aktuellen Maßnahmen geradezu angeboten. Mit den im Lockdown erworbenen Erfahrungen werden zukünftige zivil-militärische Einsätze geführt werden. Die gegenwärtige Phase der präventiven Aufstandsbekämpfung ist nicht zufällig aufgetaucht, es waren bewusste Entscheidungen der Regierungen und ihrer Apparate, die öffentliche Gesundheitsversorgung (nicht ihre eigene private) zugunsten eines Ausbaus der Militär- und Repressionsorgane zu opfern. Dabei ist es schwer sich der orwellschen Sprachverdrehung in den Narrativen der Administration zu entziehen. Warum zum Teufel folgt das Bundesinnenministerium im Dezember 2019 und im Februar 2020 einem Hilferuf Chiles – ein Land in dem zeitgleich ein sozialer Aufstand explodiert – nach Aus- und Fortbildung der Carabineros und warum fliegt die Berliner Polizeipräsidentin mit ranghohen Beamten zum Pinochet Nachfolger? Antwort auf eine parlamentarische Anfrage: „ … damit die Wahrung des Versammlungsrechts und die Kommunikation als erstes Einsatzmittel an oberster Stelle stehen, um gewaltsame Konfrontationen zwischen Polizei und Versammlungsteilnehmenden zu minimieren.“ (3)

Das deckt sich völlig mit unseren Erfahrungen mit der Berliner Polizei, bei der bis heute weder ein einziger rechtsradikaler Einzelfall noch unerklärlicher Gewaltausbruch bekannt geworden sind.

Der Widerstand (Corona-Leugner und Verschwörungstheoretiker gehören nicht dazu) gegen die Ausnahmezustände unterschiedlicher Prägung variiert stark, ausschlaggebend für die sogenannten Corona Riots ist meistens ein lokaler Bezug. Dabei empfindet ein bestimmter Personenkreis in seinem sozialen Umfeld, die auferlegten Regeln der Behörden als unerträglich und wehrt sich. Meistens wird sich gegen staatliche Gewalt erhoben, seltener gegen prekäre Lebensbedingungen. Der Entzug von Räumen, seien es Wohnräume oder öffentliche Räume, durch die Polizei aber auch als Folge von Gentrifizierungsprozessen, führt dann zu Spannungen, wenn soziale Gefüge angegriffen werden und nicht nur vereinzelte Menschen betroffen sind.

Einige Beispiel aus diesem Jahr der Beschränkungen:

Trier, 6. April: In der Nordstadt wollen Beamte von Ordnungsamt und Polizei eine Personengruppe von einem Dutzend Leuten auflösen. Die wehren sich mit Böllern und Steinen.

Brüssel, 11. April: Um den Lockdown durchzusetzen jagen Streifenwagen im Stadtteil Anderlecht einen jugendlichen Mopedfahrer, der von einer Streife gerammt wird und stirbt. Darauf brechen Straßenschlachten zwischen Bewohner*innen und den Bullen aus.

Berlin, am 15. April wurde am Ende der Neuköllner Sonnenallee eine brennende Barrikade errichtet und eintreffende Streifenwagen mit Gegenständen beworfen – nicht das einzige Mal in diesem Frühjahr, ist dieser Kiez doch stark durch Polizeipräsenz belastet. Den ganzen Sommer hindurch werden Bullen in verschiedenen Parks mit vereinzelten Flaschen- und Steinwürfen bedacht, wenn sie Ansammlungen von Jugendlichen auflösen.

Paris, 20. April, Mehrtägige Unruhen in einigen Banlieues wegen Ausgangssperren. In Villeneuve-la-Garenne wird ein Motorradfahrer schwer verletzt, als ihn ein ziviles Polizeiauto rammt.

Dietzenbach/Hessen, 29. Mai: Nach Razzien in einer als „sozialer Brennpunkt“ bezeichneten Hochhaussiedlung im Spessartviertel, zünden Nachbar*innen Container und Bagger an. Eintreffende Bullen werden mit Steinen beworfen.

Stuttgart, 19. Juni: nach einem weiteren Angriff auf Jugendliche im Zentrum, liefern sich diese eine stundenlange Auseinandersetzung mit Bullen, Einkaufstraßen werden verwüstet und Geschäfte geplündert.

Göttingen, 20. Juni: ein Hochhauskomplex voller „Hartz 4 Empfänger und Migranten“ ist seit Tagen durch Zäune und Bullenkontingente von der Außenwelt abgeriegelt, Corana Quarantäne. An einem Samstag Nachmittag kommt es zum Aufstand und die Bewohner*innen bewerfen die Bullen mit Gegenständen aller Art.

Frankfurt, Nacht zum 19. Juli: Auf dem Opernplatz werden Bullen aus einer Menge von etwa 500 bis 800 Menschen heraus massiv mit Flaschen beworfen. Auslöser waren rassistische Kontrollen der Bullen und ihre Angriffe auf feiernde Jugendliche. Bereits zu Ostern waren Streifenwagen in den „sozialen Brennpunkten“ Gallus und Griesheim mit Steinen, Eisenstangen und Dachlatten empfangen wollen, als sie das Corona-bedingte Abstandsgebot durchsetzen wollten.

Den Haag, Mitte August, drei Nächte hintereinander greifen Jugendliche die Polizei mit Steinen und Feuerwerk an, errichten Barrikaden und brennen ein Geschäft nieder. Laut Bürgermeister, der einen Ausnahmezustand ausruft, kommen die Leute aus dem Viertel Schilderswijk, also arm, migrantisch, von rassistischen Kontrollen genervt. Unterstützung erhalten sie auch aus anderen Kiezen. Zeitgleich gibt es Rioting in Utrecht, meldet die niederländische Presse besorgt. Eine Hitzewelle soll der Auslöser gewesen sein.

Grundlage der diversen Konfrontationen mit den Bullen im Jahr 2020 war eine diffuse Kooperationsverweigerung von Menschen, die sich entweder in ihren Kiezen bedrängt sahen, oder schon ausgewichen auf zentrale Plätze und Parks auch dort auf die Arroganz der Macht trafen.

Hier deutet sich die Bedingungen an, die wir als Rebell*innen herstellen sollten, um anziehenderes zu bieten als die Angst, die die Herrschenden als Medizin verbreiten:

„Sollten die hier vorgeschlagenen Maßnahmen zur Eindämmung und Kontrolle der Covid-19-Epidemie nicht greifen, könnten im Sinne einer „Kernschmelze“ das gesamte System in Frage gestellt werden. Es droht, dass dies die Gemeinschaft in einen völlig anderen Grundzustand bis hin zur Anarchie verändert. (…) Um die gewünschte Schockwirkung zu erzielen, müssen die Auswirkungen einer Durchseuchung auf die Gesellschaft verdeutlicht werden: 1) Viele Schwerkranke werden von ihren Angehörigen ins Krankenhaus gebracht, aber abgewiesen, und sterben qualvoll um Luft ringend zu Hause. Das Ersticken oder nicht genug Luft kriegen ist für jeden Menschen eine Urangst. 2) Kinder werden sich leicht anstecken. Wenn sie dann ihre Eltern anstecken, und einer davon qualvoll stirbt und sie das Gefühl haben, Schuld daran zu sein, weil sie z.B. vergessen haben sich nach dem Spielen die Hände zu waschen, ist es das Schrecklichste, was ein Kind je erleben kann. (…) Ausserdem sollte auch historisch argumentiert werden, nach der mathematischen Formel 2019 = 1919 + 1929“

– BMI Corona Strategiepapier (4)

Solidarische Nachbarschaften und ähnliche soziale Kollektive müssen sich Räume und Orte nehmen, die sich für den Widerstand in diesem sozialen Krieg eignen; dadurch das wir dort zahlreich sind und übereinstimmen in der Notwendigkeit diese Gebiete zu verteidigen, gegen ein System welches nur das vereinsamte Starren auf einen Bildschirm in den Phasen der Regeneration zwischen der Arbeit und Zerstreuung um jeden Preis bietet. Übrigens wurden (temporäre) autonome Zonen bereits 2013 in einem Text mit dem Titel „Sind wir im sozialen Krieg?“ (1) vorgeschlagen, der aus dem Widerstand gegen das Gefechtsübungszentrum der Bundeswehr (GÜZ) und den Bericht UO 2020 kam. Was in der damaligen Phase der europaweiten Unruhen gegen die Wirtschaftskrise verlockend erschien, wurde doch kaum realisiert. (Temporäre) autonome Zonen wurden in Städten kaum reklamiert, brachen schnell unter Druck zusammen (Exarchia/Athen 2019), beschränken sich auf wenige Quadratmeter (Rigaer Straße/Berlin) oder Orte wie Connewitz/Leipzig und erlangen erst durch überraschende Krawalle wie in den o.g. Beispielen Aufmerksamkeit.

Unser Verhältnis zu Territorien in einer Stadt drückt sich in zwei verschiedenen Varianten aus. Noch werden Orte verteidigt, in denen Menschen auch wohnen oder die sie anderweitig für ihr soziales Leben nutzen. Wo diese Räume schon verloren sind, weichen Menschen in die seelenlosen Zentren aus, deren Einkaufsstraßen bei Konfrontationen natürlich zerstört werden, weil es hier nichts mehr zu verteidigen gibt. Vor diesem Paradigmenwechsel steht auch die autonome Szene in Berlin. Wenn die von Senat und Bullen angestrebte völlige Beseitigung unserer Treffpunkte, Projekte und solidarischen Nachbarschaften umgesetzt sein wird, gibt es nichts mehr zu verteidigen. Die Stadt wird dann lediglich noch als feindliche Umgebung wahrgenommen werden, die keinen lebenswerten Ort mehr anbietet. Zulauf werden jene Stimmen bekommen, die jetzt schon als einzige Option die Zerstörung der Stadt sehen.

Das Jahr 2020 hat in Europa einen so starken Druck auf anarchistische und linksradikale Strukturen gebracht, dass wir nur selten aus der Defensive heraus gekommen sind. An anderen Orten hat es unerwartete Aufstände gegeben und auch in manchen Metropolen hier brodelt die Unzufriedenheit. Es reicht nicht darauf zu warten, dass das System die Schraube überdreht oder sich nur noch den Aluhüten entgegenzustellen. Es ist Zeit Räume in der Stadt zu besetzen oder mit der Zerstörung der Stadt zu beginnen.

(1) Militär in den Straßen – Einige Fragen zum NATO-Bericht „Urban Operations in the Year 2020“ , Eigendruck, Berlin 2013

(2) https://www.inventati.org/apm/penale/materiali/TR-071-$$ALL.pdf

(3) Abgeordnetenhaus Berlin, Drucksache 18 / 25 122, schriftliche Anfrage des Abgeordneten Nikklas Schrader (Linke), 29.09.2020

(4) https://fragdenstaat.de/dokumente/4123-wie-wir-covid-19-unter-kontrolle-bekommen/

Manifestation

No Fides – Manifestation contre la violence policière, la militarisation et la surveillance

Du 15 au 19 août, la police et l’armée organisent à Berne l’exercice „Fides“ (confiance). Le scénario absurde d’une „menace terroriste de longue durée“ doit permettre d’entraîner la protection des „infrastructures critiques“, comme les centres de calcul du secteur de l’énergie et les centres de distribution de diverses marchandises, ainsi que les infrastructures importantes de transport et gouvernementales.

La police et l’armée veulent se présenter comme des instances de confiance et de (protection). Pourtant, ces institutions patriarcales et racistes ne se contentent pas de défendre une image réactionnaire de la virilité et des „ligues masculines“, du „sang et du sol“, de la force et de l’honneur supposés, elles surveillent aussi quotidiennement les clôtures frontalières, pratiquent le profilage racial et imposent des vols de refoulement. En tant que bras armés de l’Etat, ils ont pour objectif de défendre les conditions dominantes – si nécessaire avec une violence mortelle.

Dans l’exercice „Fides“ de cette année, il est question d’une „menace terroriste de longue durée“. Mais avec la notion de „terrorisme“, l’Etat crée depuis longtemps déjà une image de l’ennemi, sous laquelle les mouvements de résistance et de gauche se voient de plus en plus refuser la légitimité de leur activisme et de leur critique des conditions existantes. Le durcissement de la législation facilite le travail des institutions répressives contre les activistes et leurs structures. En France, par exemple, le gouvernement a classé plus de cent groupes antifascistes comme menace terroriste et les a interdits dans la foulée. Les mesures répressives rendent désormais le travail antifasciste extrêmement difficile. Ces développements soulèvent la question de savoir quels groupes et mouvements seront criminalisés à l’avenir. Par exemple, l’armée sera-t-elle activée à l’avenir si la jeunesse pour le climat mène des actions de blocage afin de porter l’une des causes les plus urgentes à l’attention du public ? La police et l’armée combattront-elles à l’avenir le travail antifasciste, faisant ainsi le jeu d’une banalisation mondiale du fascisme ?

En ouverture de la „Fides“ de cette année, nous porterons dans la rue, le dimanche 14 août, nos différentes préoccupations et nos critiques envers l’État, la police et l’armée. Les restrictions imposées par les organes répressifs de l’Etat dans notre quotidien sont massives et le maintien des rapports de force structurels semble difficilement attaquable par la protection desdites institutions. Mais cela ne nous empêche pas de critiquer fondamentalement l’État en tant qu’institution et ses organes qui exercent la violence. Et cela ne nous empêche pas non plus de nous défendre contre la délégitimation de nous-mêmes, de nos pensées et de nos luttes. Aucun État, aucune police, aucune armée au monde ne peut arrêter nos idées d’une société sans répression et sans violence, sans discrimination et sans oppression.

Rassemblement le dimanche 14 août à 15h00 sur la Schützenmatte, Berne.

No Fides – Don’t trust cops, soldiers nor the state !

Note de bas de page : cette manifestation ne sera pas autorisée. Demander la permission pour pouvoir critiquer la situation actuelle nous semble absurde, surtout dans ce contexte. Nous sommes conscients que les manifestations en elles-mêmes, et en particulier lorsqu’elles ne sont pas autorisées, ne sont pas une forme d’action accessible à tous.

Programme


Du 12 au 19 août, il y aura un point d’information à la Brasserie Lorraine (Quartierstrasse 17, 3013 Berne). Les séances d’information à la Brasserie Lorraine sont également accessibles en fauteuil roulant. Nous essaierons d’organiser des traductions sur place. Pour les places de couchage, demander par mail à nofides@immerda.ch


Violence policière raciste dans le cas d’Oury Jalloh

Ve. 12 août 2022, 20 h au Brasssäli, Quartiergasse 17, 3013 Berne (accessible en fauteuil roulant)

Il y a 17 ans, le demandeur d’asile Oury Jalloh est assassiné de la manière la plus brutale dans une cellule individuelle du commissariat de Dessau.
Ce qui s’ensuit est une incroyable histoire de protection des auteurs, de dissimulation et de répression contre les militant.e.s qui demandent l’élucidation du cas.

Les membres de l'“Initiative Oury Jalloh“ parlent de leur travail de longue haleine, de leur campagne et de leurs expériences avec les institutions qui font usage de la violence. Le cas montre de manière exemplaire quelles sont les fonctions de la police et de la justice dans notre système, qui est protégé.e et quelles personnes sont concernées par la violence policière et comment les institutions elles-mêmes tentent de se protéger de la critique et de la confrontation avec leur propre violence“.

https://initiativeouryjalloh.wordpress.com/


Un regard sur la militarisation des frontières extérieures de l’UE

Sa. 13 août 2022, 14 h au Brasssäli, Quartiergasse 17, 3013 Berne (accessible en fauteuil roulant)

Alarm Phone / NoFrontex / AbolishFrontex

L’Europe mène une guerre contre la migration. Mais qu’est-ce que cela signifie dans la pratique ? Cette intervention donnera un aperçu de la militarisation des routes migratoires autour de la Méditerranée du point de vue d’Alarm Phone et de regroupements résistants comme NoFrontex et AbolishFrontex. Un regard sur les différentes routes montre que différentes stratégies sont utilisées à cet effet. Dans la mer Égée, entre la Grèce et la Turquie, un régime de violence de plus en plus visible s’est mis en place ces dernières années sous la forme de pushbacks et de violences massives, exécutées par les garde-côtes grecs avec le soutien de Frontex et sous les yeux de l’OTAN. Des pushbacks systématiques ont également lieu en Méditerranée centrale entre la Libye et l’Italie. Pour ce faire, l’Europe arme et équipe des milices locales sous le couvert des garde-côtes libyens. Et en Méditerranée occidentale, la coopération avec le Maroc s’intensifie – ce qui a récemment culminé avec le massacre devant Melilla. Cette évolution est liée à des processus de militarisation et à une brutalisation du débat : la migration est considérée comme une menace militaire, à laquelle on répond par un réarmement en Europe et bien au-delà. Frontex, l’agence de protection des frontières militarisée de l’UE, à laquelle la Suisse participe également, joue un rôle central dans ce processus. Son bureau de liaison se trouve à Berne, auprès de l’Office fédéral des douanes et de la sécurité des frontières. C’est de là que sont envoyés les gardes-frontières, mais c’est aussi là que transitent les informations, par exemple par le réseau de surveillance Eurosur de Frontex, qui collecte des données sur les mouvements migratoires à l’aide de drones, de caméras, de drones de surveillance, d’avions et même de ses propres satellites, et qui les distribue à ses États membres.


Du terrorisme et des personnes dangereuses – contre qui les nouvelles lois antiterroristes sont-elles dirigées ?

Sa. 13 août 2022, 17 h au Brasssäli, Quartiergasse 17, 3013 Berne (accessible en fauteuil roulant)

Avec „Fides“, l’armée et la police répètent le scénario d’une „menace terroriste“ de longue durée. L’exercice militaire s’inscrit ainsi dans l’obsession sécuritaire qui sévit. En effet, les lois antiterroristes aux Etats-Unis, en Europe occidentale et, depuis peu, en Suisse, permettent à la justice de prendre de plus en plus de mesures pour contrôler et punir, et en même temps de développer l’Etat de surveillance de manière toujours plus complète.

Que se cache-t-il derrière les discours sur le „terrorisme“ et les „personnes dangereuses“ ? Comment ces notions sont-elles apparues ? Qui sont les personnes menacées par les nouvelles lois antiterroristes suisses ? Et quels développements peut-on observer dans d’autres pays – comme les États-Unis – où des lois antiterroristes sont en vigueur depuis longtemps ?


Armée, masculinité et militantisme

Sa. 13 août 2022, 20 heures au Brasssäli, Quartiergasse 17, 3013 Berne (accessible en fauteuil roulant)

Comment les masculinités militarisées se sont-elles développées et quel est leur lien avec les sociétés militarisées et le nationalisme ? Nous nous pencherons ensemble sur ces questions. Plus important encore, nous réfléchirons dans un deuxième temps à la manière dont ces masculinités toxiques sont reproduites dans les structures antiautoritaires. Comment s’expriment-elles et qu’est-ce qui implique exactement une rupture radicale avec de telles masculinités ? Comment y arriver ?


Manif contre la violence policière, la militarisation et la surveillance

Rassemblement le dimanche 14 août à 15h à la Schützenmatte, Berne.

Appel


„Route des Balkans“ : profilage racial et violences policières contre le mouvement social de la migration

Lu. 15 août 2022, 19 h au Brasssäli, Quartiergasse 17, 3013 Berne (accessible en fauteuil roulant)

„Nous sommes ici parce que vous étiez là-bas“ La migration peut être lue comme une pratique quotidienne de réappropriation. La forteresse Europe se ferme à ce mouvement social. L’exposé donne un aperçu de la situation actuelle sur la route dite des Balkans. Les policiers locaux aux frontières et Frontex réagissent aux migrants par une violence frontalière illégale qui les prive de leurs droits. Le point de départ de l’exposé est le travail de solidarité sur place afin de soutenir la liberté de mouvement de tous les migrants.


Critical Mass (manifestation de cyclistes)

Ma. 16 août 2022, 19 h Thunplatz, Berne

Nous prenons la route avec nos vélos, rollers, trottinettes et autres engins préférés. Avec le vent dans les cheveux, nous apportons de la vie et peut-être un peu de chaos dans les rues du quartier des ambassades – et au-delà, car nous sommes rapides et agiles.


Input sur la loi sur la police du canton de Berne

Me 17 août 2022, 19:30h cinéma Reitschule, Berne

Exposé et discussion avec l’AntiRep Berne

En Suisse, la „prévention des dangers“ est en premier lieu du ressort de la police. Les lois cantonales sur la police définissent quelles tâches – en dehors de l’élucidation des délits – cela comprend, comment elles peuvent être mises en œuvre et quelles compétences la police a ainsi. La nouvelle loi sur la police du canton de Berne, qui est entrée en vigueur le 1er janvier 2020, a une fois de plus étendu ces possibilités.

Qu’est-ce qui a changé avec la nouvelle loi sur la police ? Que peut faire la police et sur quelles bases légales peut-elle s’appuyer pour agir ? Telles sont les questions abordées dans cet aperçu de la nouvelle loi sur la police.


Jeu des voleurs et de la police

Jeu. 18 août 2022, 19 h Falkenplatz , Berne

apporte des gadgets amusants pour une soirée dynamique

agenda


From August 12-19, there will be an info point at Brasserie Lorraine (Quartierstrasse 17, 3013 Bern). The info events at Brasserie Lorraine are also wheelchair accessible. We will try to organize translations on site. For sleeping places please send an email to nofides@immerda.ch.


Racist police violence in the Oury Jalloh case

Fri. Aug. 12, 2022 8 p.m. at Brasssäli, Quartiergasse 17, 3013 Bern (Wheelchair accessible)

17 years ago, the asylum seeker Oury Jalloh was brutally murdered in a solitary cell at the police station in Dessau.
What followed was an unbelievable story of protection of the perpetrators, cover-up and repression against the activists who demanded the investigation of the case.

Members of the „Initiative Oury Jalloh“ talk about their years of work, their campaign and their experiences with the institutions that use violence. The case shows exemplarily which functions police and justice take in our system, who is protected and which persons are affected by police violence and how the institutions try to protect themselves from criticism and the confrontation with their own violence.“

https://initiativeouryjalloh.wordpress.com/


A look at the militarization of the EU’s external borders.

Sat. Aug. 13, 2022, 2 p.m. at Brasssäli, Quartiergasse 17, 3013 Bern (Wheelchair accessible)

Alarm Phone / NoFrontex / AbolishFrontex

Europe is waging a war on migration. But what does this mean in reality? This input gives a look at the militarization of migration routes around the Mediterranean from the perspective of Alarm Phone and resistant alliances like NoFrontex and AbolishFrontex. A look at different routes towards europe shows that various strategies are being used. In the Aegean Sea, between Greece and Turkey, an increasingly publicly visible regime of violence has emerged in recent years in the form of pushbacks and associated with massive violence, carried out by the Greek coast guards with the support of Frontex and under the eyes of NATO. Systematic pushbacks are also taking place in the central Mediterranean between Libya and Italy. To this end, Europe is arming and equipping local militias under the guise of the Libyan coast guard. And in the western Mediterranean, cooperation with Morocco is intensifying – culminating recently in the massacre off Melilla. This development is linked to processes of militarization and a brutalization of the debate: Migration is seen as a military threat that is being countered with armaments in Europe and far beyond. Central to this is Frontex, the militarized border protection agency of the EU, in which Switzerland is also involved. Its liaison office is in Bern, at the Federal Office of Customs and Border Security. Border guards are dispatched from there, but information also flows there, for example, through Frontex’s Eurosur surveillance network, which uses drones, cameras, surveillance zeppelins, aircraft, and even its own satellites to collect data on migration movements and distribute its member states


Of Terrorism and Threats – who are the new antiterrorism laws targeting?

Sat. 13 August 2022, 5 p.m. at Brasssäli, Quartiergasse 17, 3013 Bern (Wheelchair accessible)

With „Fides“, the army and the police are rehearsing the scenario of a long-lasting „terrorist threat“. The military exercise is thus part of the rampant security mania. Anti-terrorism laws in the USA, in Western Europe and, more recently, in Switzerland are enabling the judiciary to take more and more measures to control and punish, and are expanding the surveillance state more and more seamlessly.

What is behind the discourse around „terrorism“ and „dangerous persons“? How did these terms come into being? Who is threatened by the new Swiss anti-terror laws? And what developments can be observed in other countries – such as the USA – where anti-terrorism laws have been in force for some time?


Military, Masculinity and Militancy

Sat. August 13, 2022, 8 p.m. at Brasssäli, Quartiergasse 17, 3013 Bern (Wheelchair accessible)

How have militarized masculinities emerged and how are they related to militarized societies and to nationalism? We will explore these questions together. More importantly, in a second step, we will reflect on how these toxic masculinities are reproduced in anti-authoritarian structures. How do they manifest themselves and what exactly involves a radical break with such masculinities? How do we get there?


Demonstration against police violence, militarization and surveillance

Gathering on Sunday, August 14 at 3:00 p.m. at the Schützenmatte.

call


„Balkan Route“: Racial Profiling and Police Violence against the Social Movement of Migration

Mon. 15. August 2022, 7 p.m. at Brasssäli,  Quartiergasse 17, 3013 Bern (Wheelchair accessible)

„We are here because you were there“ Migration can be read as an everyday practice of re-appropriation. Against this social movement, Fortress Europe is closing itself off. The input offers an insight into the current situation on the so-called Balkan route. There, local border police and Frontex react to migrants with illegal, disenfranchising border violence. The starting point for the input is solidarity work on the ground to support the freedom of movement of all migrants.


Critical Mass (Velodemo)

Di. 16 August 2022, 7p.m. Thunplatz, Bern

We take to the streets on our bikes, rollerblades, scooters and other favorite vehicles. With the wind blowing in our hair, we bring life and maybe a bit of traffic chaos to the streets of the embassy district – and beyond, after all we are fast and agile.


New Police Law of the Canton of Bern

Wed. 17. August 2022, 7:30p.m. Cinema Reitschule, Bern

Lecture and discussion with the AntiRep Bern

“ Preventing danger“ is first and foremost the task of the police in Switzerland. Which tasks – outside of the investigation of criminal acts – this includes, how these may be implemented and which competences the police have as a result are regulated in the cantonal police laws. With the new police law of the canton of Bern, which came into force on January 1, 2020, these possibilities have once again been expanded.

What has changed with the new police law? What is the police allowed to do and what legal basis can they actually rely on in their actions? These are the questions addressed in this overview of the new Police Act.


Street Game: „robbers and cops“

Thu. 18 August 2022, 7 pm Falkenplatz

Bring fun gadgets for a dinamic eve