Wem ihre Sicherheit nicht gilt – Beitrag einer Aktivistin zu „Fides“

Für den «Krisenfall» wollen sie üben, eine «lang anhaltende terroristische Bedrohung» bewältigen. Militär und Polizei Hand in Hand – gegen die Gefahr von Aussen, gegen Terror. Für unsere Sicherheit, für die Sicherheit der Schweizer Bevölkerung.

Wir fragen uns: Wem gilt die Sicherheit von Polizei&Armee, vom Berner Sicherheitsdirektor Philippe Müller, vom Schweizer Staat? Und wem gilt sie nicht?

Ihre Sicherheit gilt nicht für migrierende und flüchtende Menschen. Für People on  the Move bedeutet ihre Sicherheit: Stacheldraht, Schlagstöcke, Sterbenlassen. 

«Keine Experimente mit unserer Sicherheit» – so stand es diesen Frühling auf blauen Abstimmungsplakaten, ein rotes JA ZU FRONTEX in Grossbuchstaben. Bundesrat, Operation Libero und Parteien von da bis dort redeten von Sicherheit und fordern auch heute: Mauern bauen, Stacheldraht auf Grenzzäune setzen, Grenzbeamt*innen Waffen in die Hände drücken. Sie reden von Sicherheit und schliessen die Türen, schotten ab, lassen sterben.

Es ist ihre Sicherheit, die Fluchtrouten schliesst. Es ist ihre Sicherheit, die erfrieren, ertrinken, sterben lässt. Abschottung, Pushbacks, Grenzgewalt – das bedeutet ihre Sicherheit für migrierende und flüchtende Menschen.

Für wen ihre Sicherheit auch nicht gilt: 

Oury Jalloh. George Floyd. Breonna Taylor. Walter Scott. Michael Brown. Amad Ahmad. Hervé Mandundu. Eric Garner. Claudio. Mike. Nzoy. Die Liste ist endlos.

Wo war eure Sicherheit, als Ouri Jallow in einer Gefängniszelle in Dessau verbrannte? Wo war eure Sicherheit, als Breonna Taylor die Kugel aus der Waffe der Polizist*innen trafen? Heisst Sicherheit für euch, auf einem Bahngleis in Morges erschossen zu werden?

Eine Erinnerung zwischendurch: Gegen rassistische Polizeigewalt. Für Gerechtigkeit für Nzoy und alle Ermordeten – gehen wir am 3. September gemeinsam in Zürich auf die Strasse.

Ihre Sicherheit – sie gilt auch nicht für die Betroffenen von Patriarchaler Gewalt. 

Weltweit werden täglich 137 Frauen/FLINTA-Personen von männlichen Familienangehörigen oder (Ex)Partnern ermordet.  In der Schweiz wird alle zwei Wochen ein Femizid begangen. Jede Woche überlebt eine FLINTA-Person einen Tötungsversuch. Wir FLINTAs werden ermordet, einfach weil wir FLINTAs sind.

Was ist die Antwort des Staates auf unsere fehlende Sicherheit? Eine Militär- und Polizeiübung? Kommt Kameraden, lasst uns fünft Tage lang Terror spielen.

Was ist die Antwort des Staates auf diese patriarchale Gewalt? Kommt Kameraden, verteidigen wir uns gegen eine vermeintliche «Gefahr von Aussen», dem «anonymen bösen Feind». Und ignorieren weiterhin, dass unserer Gesellschaft in sich rassistisch, patriarchal, aebelistisch, homo- und transfeindlich ist. Dass unsere Gesellschaft so viel alltägliche Gewalt produziert.

Die Sicherheit von Polizei&Armee, vom Berner Sicherheitsdirektor Philippe Müller, vom Staat & Co. – sie macht uns nicht sicher. Sie macht das Gegenteil: Sie gefährdet Menschen. Ihre Sicherheit ist jediglich ein Sichern von Machtsystemen, unterdrückenden Strukturen und Privilegien. 

Wir fragen uns: Was macht uns wirklich sicher?

Ist es eine Militär- und Polizeiübung, die uns sicher macht, während Temperaturen und Meeresspiegel steigen? 

Ausgetrocknete Böden, zerstörte Lebensgrundlagen, Vertreibungen: die Klimakrise birgt enormes Konfliktpotential. An alle Sicherheitspolitiker und direktorinnen: das sollte euch mal interessieren. Anstatt absurde Polizeiübungen abzuhalten, kümmert euch stattdessen um die Bekämpfung der Klimakrise.

Anstatt absurde Militärübungen abzuhalten, erinnert euch stattdessen daran: Militär und Krieg gehören zu den Hauptverursachern von Treibhausgasemissionen und Umweltkatastrophen.

Was macht uns wirklich sicher? Militarisierung, Aufrüstung, Waffen?

Es ist ermüdend. Dass wir es immer wieder sagen müssen: Waffen schaffen keine Sicherheit. Waffen verbreiten Angst, zerstören und töten. Militarisierung und Aufrüstung sind keine Antwort auf Krieg und globale Krisen.

Was macht uns wirklich sicher? Ihre Sicherheit macht es nicht. Ihr Gerede von «Vorbereitung auf den Ausnahmezustand» macht uns nicht sicher. Ihre Militär- und Polizeiübung – auch die macht uns nicht sicher.

Für eine tatsächliche Sicherheit braucht es Solidarität. Kollektivität anstatt Vereinzelnung. Gemeinsame Verantwortung anstatt Kontrolle.

Es braucht sichere Fluchtrouten, ein freies und selbstbestimmtes Leben für die Menschen hier.

Für kollektive Sicherheit braucht es Massnahmen zur Bekämpfung patriarchaler und rassistischer Gewalt und Strukturen. Ohne dabei zu vergessen: Die einzig nachhaltige Prävention, ist die antirassistische und feministische Weltrevolution.

Für kollektive Sicherheit braucht es Geld für die Bekämpfung der Klimakrise, Geld für Care-Arbeit, Geld für das Gesundheits- und Bildungswesen. Anstatt für Militär und Polizei.

Die kontrollierende Sicherheit von Polizei&Armee, vom Berner Sicherheitsdirektor Philippe Müller, vom Staat & Co. – sie ist vieles. Sie ist rassistisch, sie ist patriarchal. Sie fördert Aufrüstung und Militarisierung und sie heizt die Klimakrise an. Doch eines ist ihre Sicherheit nicht. Sie ist nicht fähig, Antworten auf die zahlreichen herrschenden Krisen zu finden.

Das müssen wir schon selbst tun. Danke für euren Widerstand.

 

No Fides: Migration und Militarisierung

Vom 15. bis 19. August halten Polizei und Armee in Bern die Übung «Fides» (Vertrauen) ab. Dagegen regt sich Widerstand (nofides.noblogs.org).
Wir werden in den nächsten Wochen in unregelmässigen Abständen auf barrikade.info und auf unserem Blog Texte veröffentlichen, die wir zur Thematik lesenwert finden und welche möglicherweise als Grundlagen für Diskussionen dienen können. Dabei teilen wir nicht immer zu hundert Prozent alle Inhalte der publizierten Texte. Es geht uns in erster Linie darum, Grundlagen für Diskussionen zu schaffen.

Als letzten in unserer Reihe möchten wir den Text „Migration und Militarisierung“ der Informationsstelle Militarisierung e.V. zur Lektüre vorschlagen. Dieser wurde erstmals im März 2022 publiziert (https://www.imi-online.de/2022/03/11/migration-und-militarisierung/). Im Text wird von der EU gesprochen, wovon die Schweiz nicht Teil ist. Die Schweiz betrachtet die Sicherung der EU-Aussengrenzen jedoch auch als wichtigen Teil ihrer Sicherheitsarchitektur und ist beispielsweise an Frontex beteiligt. Zudem haben im Text erwähnte Rüstungsfirmen wie z.B. Rheinmetall und Thales auch Entwicklungs- und Produktionstätten in der Schweiz.

Die EU produziert eine Ökonomie der Angst

von: Jacqueline Andres | Veröffentlicht am: 11. März 2022

Die einst als Zivilmacht betitelte EU transformiert sich in eine Sicherheitsunion. Die dort angenommenen Bedrohungen sind ein Motor für Forschung und Entwicklung. Auch für die illegalisierte Migration präsentiert sich die Sicherheitsindustrie als Lösungsanbieterin für politische, soziale und ökologische Probleme, die sie mitverursacht.

In der Region von Calais stürmten am 1. Januar 2022 Polizist*innen mit Schlagstöcken, Helmen und Schutzschildern auf Geflüchtete zu, rissen ihre Zelte nieder und setzten Tränengas gegen sie ein. Den Angegriffenen blieb keine Zeit, ihr Hab und Gut zu retten. Die Räumung schloss sich an rund 150 weitere an, die allein zwischen den Weihnachtsfeiertagen und Neujahr in der Region durchgeführt wurden.1 Diesen gewalttätigen Ein­sätzen liegt eine Versicherheitlichung von Migration zugrunde, die entmenschlicht, leicht ausbeutbare Arbeitskräfte schafft und das Sterben von Menschen normalisiert. Noch deutlicher tritt die EUropäische Stilisierung von people on the move zur Bedrohung an der polnischen Grenze zu Belarus zum Vorschein. Polnische Regierungsvertreter*innen sprechen von Menschen, die als „Waffen“ zur Destabilisierung der Grenze eingesetzt werden2 – der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, und die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, nutzen die gleiche Analogie und werten die Lage als „hybriden Angriff“.3

Technologisierte Grenzüberwachungsinstrumente

So nimmt es nicht wunder, wenn die zur „Bedrohung“ stilisierten Migrant*innen tatsächlich mit Militärtechnik kontrolliert und bekämpft werden. Viele Rüstungskonzerne verkaufen diese als „Dual Use-Technologien“ für die Grenzüberwachung. Sie lassen sich grob unterteilen in Schutzausrüstung der Einsatzkräfte (Bewaffnung und gepanzerte Fahrzeuge); Sensorik und Optronik (Wärmebildkameras, Nachtsichtgeräte und Sensoren); Aufklärungstechnologien (Drohnen, Satelliten, Radargeräte) und Datenanalysewerkzeuge bzw. Analytik (u. a. biometrische und KI-Anwendungen).

Die EU-Grenzagentur Frontex verfügt mit der neuen „Ständigen Reserve“ in der „Kategorie 1“ über 3.000 bewaffnete Beamt*innen. Zu deren geplanten Ausrüstung lud Frontex die Unternehmen Heckler&Koch, SigSauer, Glock und Grand Power 2019 zu einem „Industriedialog zu Waffen, Munition und Holster“ ein.4 Wegen rechtlicher Schwierigkeiten verzögerte sich die Beschaffung der Waffen für die „Kategorie 1“; den Auftrag erhielten erst im Herbst 2021 die Firmen Glock aus Österreich für die Pistolen sowie Mildat und Parasnake Arkadiusz Szewczyk aus Polen für die Lieferung von 3,6 Millionen Schuss Munition. Zwar freute sich Frontex Anfang Dezember 2021 über einen „historischen Schritt für die ständige Reserve und die Europäische Union“, als die Agentur zum ersten Mal bewaffnete Beamt*innen der „Kategorie 1“ an der litauisch-belarussischen Grenze stationierte, bewaffnet werden diese aber zunächst vom Gaststaat Litauen.5

An ihren Grenzen setzen EU-Mitgliedstaaten auch gepanzerte Fahrzeuge ein. So schickte Österreich z. B. im Frühjahr 2020 einen Polizeipanzer des Typs SurviorR II, ein MAN-Geländewagen von Achleitner aus Österreich, der von Rheinmetall umgerüstet und vertrieben wird, nach Griechenland.6 Die griechische Polizei verkündete 2021, eine auf einem Polizeipanzer montierte Schallkanone an der Grenze zur Türkei einsetzen zu wollen. Dabei handelt es sich um ein Long Range Acoustic Device (LRAD) des Typs 450XL des US-amerikanischen Unternehmens Genasys. Die Technik stammt aus einem Auftrag aus den Nullerjahren vom US-Verteidigungsministerium. Die Firma sollte ein auf Schallwellen basierendes Gerät zur Kommunikation zwischen Schiffen und zur Abwehr potenzieller Angreifer*innen entwickeln. US-amerikanische oder beispielsweise thailändische Polizeibehörden setzen diese Schallkanonen seitdem bei Protesten ein, obwohl deren immense Lautstärke u. a. einen Hörverlust verursachen kann. Im maritimen Bereich wird das Gerät u. a. von der EU-Mission Atalanta LRAD‘s zur „Pirateriebekämpfung“ vor der Küste Somalias genutzt.7

Auch bei der Aufklärungstechnik lässt sich die Nutzung von ursprünglich für das Militär entwickelten Technologien zur Grenzüberwachung feststellen. Frontex hat seit 2015 Zugriff auf Daten des EUropäischen Satellitenprogramms Copernicus, und erstellt mit den Satellitenbildern im Rahmen des European Surveillance Systems (EUROSUR) ein Lagebild der Grenzen in nahezu Echtzeit.8 Im zentralen Mittelmeer setzt Frontex eine von Israeli Aerospace Industries hergestellte Langstreckendrohne des Typs Heron 1 ein.9 Das israelische Militär nutzt das Luftfahrzeug seit den Nullerjahren in Gaza, etwa im Rahmen der Operation „Gegossenes Blei“ ab 2008.10 Auch die Bundeswehr flog die Heron 1 seit 2010 in Afghanistan, seit 2016 auch in Mali.

Zur Luftaufklärung nutzt Frontex außerdem an einem Versorgungskabel „gefesselte“ Zeppeline. 2019 testete die Agentur einen solchen Aerostat auf der griechischen Insel Samos, derzeit steigen sie am Evros-Grenzfluss zur Türkei in die Luft. Hauptauftragnehmer sind die deutsche in-innovative navigation GmbH und die französische CNIM Air Space.11 Ausgerüstet sind die Aerostaten mit dem elektro-optischem Infrarot-System ARGOS-II HD der deutschen Firma Hensoldt.12 Das Modul exportiert Hensoldt auch in die Türkei, dort ist es in die Kampfdrohne Bayraktar TB2 eingerüstet, mit der das türkische Militär seit 2016 Angriffe auf Kurd*innen in Nordsyrien und Nordirak fliegt.13

Die von elektro-optischen, radarbasierten oder akustischen Sensoren gesammelten Daten werden zusammen mit anderen Datenquellen von Anwendungen ausgewertet, die auf Künstlicher Intelligenz (KI) basieren. Unter anderem basieren Gesichtserkennungssysteme, wie sie Spanien an den Grenzen von Ceuta und Melilla14 und Griechenland in Flüchtlingslagern einsetzen wollen, auf KI.15

Akteure der EUropäischen Sicherheitsindustrie

Zwar werden Millionenbeträge in die Erforschung, Entwicklung und Produktion der beschriebenen Technologien gesteckt, doch können sie das Versprechen der „Bekämpfung“ von Migration oftmals nicht halten. Gewinner*innen gibt es trotzdem: die EUropäische Sicherheitsindustrie, die ihre Produkte zusehends für die innere Sicherheit und Grenzüberwachung vermarktet. Deren Verwendung durch Frontex sowie Grenztruppen der EU-Mitgliedstaaten wird gefordert und gefördert durch Akteur*innen, die vor allem aus großen Luftfahrt-, Raumfahrt- und Rüstungsunternehmen stammen. In den frühen Nullerjahren und nach der „Finanzkrise“ ab 2007 gingen die Rüstungsausgaben der EU deutlich zurück. Der zur gleichen Zeit aufkommende Markt für „Homeland Security“ in der EU kann deshalb als Neuerfindung der Rüstungsindustrie gesehen werden.16 Diese Entwicklung wird begleitet durch Forschungsorganisationen (z. B. Universitäten oder Fraunhofer Institute), Beratungsunternehmen (z. B. Deloitte), Regierungs-ministerien und EU-Institutionen.

Weitere wichtige Akteur*innen sind Lobbyorganisationen, die Phänomene wie Migration als Sicherheitsproblem definieren und für dessen Bekämpfung mit für das Militär entwickelten Technologien werben.17 Aus der Rüstungslobbygruppe Aerospace and Defence Industries Association of Europe heraus gründete sich 2007 der Lobbyverband European Organisation for Security (EOS), der sowohl zivile als auch militärisch nutzbare Sicherheitslösungen anbietet.18 Erforschung („Innovation“) und Entwicklung der Technologien erfordern hohe staatliche Ausgaben, die die Lobbyorganisationen von den EU-Mitgliedsstaaten oder aus EU-Mitteln einwerben. Auf diesem Feld konkurrieren die großen Rüstungsunternehmen Airbus, Leonardo, Indra und Thales und damit auch die dahinterstehenden Regierungen aus Deutschland, Italien, Spanien und Frankreich.

Horizont Europa

Ein solcher EU-Topf ist das Forschungsrahmenprogramm, das 2021 als Horizont Europa zum neunten Mal anlief. Von 2021 bis 2027 fördert die EU Forschungs- und Innovationsprojekte zur Stärkung der globalen „Wettbewerbsfähigkeit“ mit 95,5 Milliarden Euro. Das Programm besteht aus drei Pfeilern: Wissenschaftsexzellenz (25 Milliarden Euro), Globale Herausforderungen und industrielle Wettbewerbsfähigkeit Europas (53,5 Milliarden Euro) und Innovatives Europa (13,6 Milliarden Euro). Weitere Unterteilungen erfolgen innerhalb der Pfeiler, so gehört der Cluster „Zivile Sicherheit für die Gesellschaft“ (1,6 Milliarden) zum zweiten Pfeiler und gliedert sich wiederum auf in Schutz der EU und ihrer Bürger*innen vor Kriminalität und Terrorismus (87 Millionen Euro), Management der EU-Außengrenzen (55,5 Millionen Euro), Schutz wichtiger Infrastrukturen (31 Millionen Euro), Cybersicherheit (134,8 Millionen Euro), Resilienz im Krisen- und Katastrophenfall (72 Millionen Euro) und die vermehrte Nutzung von Forschungsergebnissen durch Anwender*innen (25,5 Millionen Euro).19

Im Bereich des Grenzmanagements fächern sich die Ausschreibungen in fünf Kategorien. Die erste betrifft Projekte, die zur großflächigen und autonomen Überwachung aus der Stratosphäre beitragen. Sie sollen kompatibel mit bestehenden und künftigen Grenz- und Seeüberwachungssysteme in der EU sein, einschließlich EUROSUR. Gefördert wird Forschung zu „UAVs, Ballons, Luftschiffen, Höhenplattformen (HAPs), Lighter-Than-Air (LTA)-Lösungen, Mikrosatelliten, Satellitenbilder“.20 Die zweite Kategorie zielt auf eine sicherere und verbesserte Einsatzfähigkeit von Grenz- und Küstenwachen und des Zolls. Projekte sollen sich an dem Bedarf von Frontex orientieren und die Grenzagentur bei der Entwicklung einbeziehen. Geforscht werden kann „an Sicherheitslösungen und Schutzausrüstungen für das eingesetzte Personal, fortgeschrittenen Kommunikationssystemen und fortgeschrittenen Human Interface Geräten und Sensoren“.21 Die dritte Kategorie soll verbesserte Grenzkontrollen zur Erleichterung des Reiseverkehrs, der Reisenden und der Grenz- und Küstenwachen ermöglichen. Der Fokus liegt hier auf der Erforschung von stationären und mobilen und leicht transportablen Technologien zur Überprüfung von Pässen, biometrischen Daten und Dokumenten in z. B. Zügen, auf Straßen oder auch Schiffen.22 Die vierte Kategorie widmet sich der Erkennung verbotener Gegenstände im Postverkehr und die letzte Kategorie der verbesserten Erkennung von verbotenen Gegenständen am und im Körper von Personen.

EU als Sicherheitsunion?

Im Kern hat der im Vertrag von Amsterdam verankerte „Raum der Freizügigkeit, der Sicherheit und des Rechts“ bereits die Fundamente einer Argumentation für die „Festung Europa“ geschaffen: Die innere Sicherheit der EU erfordere eine verstärkte Kontrolle der Außengrenzen zum Schutz und Erhalt der „europäischen Lebensweise“.

In dieser Zeit spielte das Primat der „Sicherheit“ eine immer größere Rolle auch im militärischen Bereich: 2003 wurde die Europäische Sicherheitsstrategie angenommen und ein Jahr später die Europäische Verteidigungsagentur (EVA) geschaffen, um die Rüstungsplanung, -beschaffung und -forschung voranzutreiben. Ab 2016 strebte die EU an, ein globaler Sicherheitsakteur zu werden. Beeinflusst hat diese Entwicklung der angekündigte EU-Austritt Großbritanniens, das zuvor bei militärischen Bemühungen der EU, wie z. B. der 2003 gegründeten Battle-groups, bremsend wirkte.23

2016 löste die neu geschaffene Globale Strategie die Sicherheitsstrategie aus 2003 ab. Um global geeint militärisch agieren zu können, etabliert sie drei Instrumente, für die die EVA seither verantwortlich ist: die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit zur Förderung gemeinsamer Rüstungsprojekte; die Koordinierte Jährliche Überprüfung der Verteidigung zur Erstellung eines jährlichen Berichts über die EUropäische Sicherheits- und Rüstungslandschaft, um die Harmonisierung und Synchronisation voranzutreiben; und den Europäischen Verteidigungsfonds (EVF) zur Finanzierung gemeinsamer Rüstungsforschung und -entwicklung.

Seit 2021 ist der EVF aktiv – ausgestattet mit einem Gesamtbudget von stolzen 7,953 Milliarden Euro für den Zeitraum 2021-2027. Der für die Implementierung des Fonds verantwortliche Thierry Breton, EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen mit der erweiterten Zuständigkeit für Verteidigung und Raumfahrt (und ehemaliger CEO von Thales und ATOS), erklärt: „Es geht einfach darum, Europa auf dem geostrategischen Schachbrett der Welt zu behaupten.“24

Die Ergebnisse der durch den EVF geförderten Forschung z. B. an autonomen Systemen, Sensoren, Quantentechnologie oder auch Analytik können die beteiligten Unternehmen auch für andere Vorhaben nutzen, diese Produkte landen anschließend auch auf dem Markt für Grenzüberwachung. Die EU-Kommission will den Firmen auch Zugang zu Mitteln aus der zivilen Forschung erleichtern, wo besonders die Bereiche KI und „disruptive Technologien“25 im Mittelpunkt stehen.

In ihrem Anfang 2021 vorgelegten Aktionsplan für Synergien zwischen der zivilen, der Verteidigungs- und der Weltraumindustrie fordert die Kommission, dass „die EU-Finanzierung von Forschung und Entwicklung, einschließlich der Bereiche Verteidigung und Raumfahrt, wirtschaftliche und technologische Vorteile für die EU-Bürger mit sich bringt (die ‚Spin-offs‘)“.

Umgekehrt heißt es, dass die Nutzung von Forschungsergebnissen der Zivilindustrie und Innovationen, die von der Zivilbevölkerung ausgehen, in Projekten der europäischen Verteidigungszusammenarbeit erleichtert wird (die „Spin-ins“).26 Diese Weichenstellung räumt der Sicherheitsindustrie in der EU eine zukunftsgestaltende Rolle ein, die zu einer weiteren Militarisierung der inneren und äußeren Sicherheitspolitik der EU beitragen wird – eine Rolle, die die sozialen Bewegungen und Organisationen vehementer für sich beanspruchen müssen, um mit der rassistischen und umweltzerstörerischen „Ökonomie der Angst“ zu brechen.


Anmerkungen

1 Violence flares during Calais migrant camp eviction, www.infomigrants.net/ en/post/37616/france-violence-flares-during-calais-migrant-camp-eviction

2 Political Crisis initiated by the regime of Alexander Lukashenka. Polish-Belarusian border brief – update by 3 January 2022, Polnische Regierung v. 3.1.2022, www.gov.pl/web/libya/political-crisis-initiated-by-the-regime-of-alexander-lukashenka-polish-belarusian-border-brief-no6-3-january-2022

3 Rede der Präsidentin von der Leyen zur Lage der Union: Die Seele unserer Union stärken v. 15.9.2021

4 Frontex Files – Der militärisch-grenzpolizeiliche Komplex, netzpolitik.org v. 5.2.2021, https://netzpolitik.org/2021/frontex-files-der-militaerisch-grenzpolizeiliche-komplex

5 Frontex and Lithuania agree on service weapons delivered to Frontex standing corps officers, Frontex v. 9.12.2021

6 Nehammer: Europa geeint für den Schutz der EU-Außengrenze, BMI Österreich v. 12.3.2020, https://bmi.gv.at/news.aspx?id=346C5464734B395477594D3D. Auch in Deutschland erfreuen sich diese Fahrzeuge steigender Beliebtheit. Rheinmetall liefert ab 2023 insgesamt 55 Survivor R an die Bundespolizei und Bereitschaftspolizeien, weitere Aufträge sollen folgen. Bislang werden die Polizeipanzer von Spezialkräften einiger Landespolizeien genutzt. Sie können mit weiteren Waffen, darunter auch Schallkanonen, aufgerüstet werden, vgl. Survivor R wird neuer „Sonderwagen 5“, vgl. www.cilip.de/2021/12/11/bundesinnenministerium-kauft-polizeipanzer-survivor-r-von-rheinmetall

7 Seepiraterie – Deutsche Gegenwehr hilft, Deutsche Welle v. 27.3.2013

8 www.copernicus.eu/de/dienste/sicherheit

9 Monroy, M.: Unbemannte Überwachung der Festung Europa, in: Europäische Studien zur Außen- und Friedenspolitik 3/2021, S. 12, https://oezlem-alev-demirel.de/wp-content/uploads/2021/06/Grenzdrohnen-Studie-Monroy.pdf

10 Precisely Wrong, Gaza Civilians Killed by Israeli Drone-Launched Missiles, HRW v. 30.9.2009, www.hrw.org/report/2009/06/30/precisely-wrong/gaza-civilians-killed-israeli-drone-launched-missiles#_ftnref14

11 Monroy a.a.O. (Fn. 9), S. 13. Aerostats von CNIM werden u.a. vom französischen Militär zur Überwachung ihrer Stützpunkte im Sahel genutzt, vgl. CNIM Soars with New Aerial Coastal Surveillance Solutions, Navalnews v. 18.10.2020, www.navalnews.com/event-news/euronaval-2020/2020/10/euronaval-cnim-soars-with-new-aerial-coastal-surveillance-solutions

12 HENSOLDT to support Frontex maritime surveillance project, Hensoldt v. 26.8.2021

13 Deutsche Technik für den türkischen Drohnenkrieg, netzpolitik.org v. 12.10.2021, https://netzpolitik.org/2021/raketen-und-sensoren-deutsche-technik-fuer-den-tuerkischen-drohnenkrieg

14 España prepara un nuevo modelo fronterizo para Ceuta y Melilla, El Pais v. 13.12.2021

15 Greece: New Biometrics Policing Program Undermines Rights, HRW v. 18.1.2022, www.hrw.org/news/2022/01/18/greece-new-biometrics-policing-program-undermines-rights. Polizeibeamt*innen sollen mobil und ortsungebunden biometrischen Daten abnehmen und mit Datenbanken abgleichen können. Finanziert ist das Vorhaben zu 75% durch den EU-Fonds für Innere Sicherheit.

16 Baird, T.: Interest groups and strategic constructivism: businessactors and border security policies in the European Union, Journal of Ethnic and Migration Studies, Vol. 44, No. 1, 2018, DOI: 10.1080/1369183X.2017.1316185, S. 118-136, S. 124

17 ebd., S. 122

18 War starts here, A guided tour about the arms industry lobbying in Brussels, https://corporateeurope.org/sites/default/files/publications/war_starts_here.pdf

19 Quaranta, G.: Horizon Europe Cluster 3: Civil Security for Society, Agenzia per la Promozione della Ricerca Europea, uniroma1.it, 28.5.2021

20 Enhanced security and management of borders, maritime environment, activities and transport, by increased surveillance capability, including high altitude, long endurance aerial support, https://ec.europa.eu/info/funding-tenders/opportunities/portal/screen/ opportunities/topic-details/horizon-cl3-2021-bm-01-01

21 Increased safety, security, performance of the European Border and Coast Guard and of European customs authorities, https://ec.europa.eu/info/funding-tenders/opportunities/portal/screen/opportunities/topic-details/horizon-cl3-2021-bm-01-02

22 Improved border checks for travel facilitation across external borders and improved experiences for both passengers and border authorities’ staff, https://ec.europa.eu/info/funding-tenders/opportunities/portal/screen/opportunities/ topic-details/horizon-cl3-2021-bm-01-03

23 Demirel, Ö.; Wagner, J.: DG Defence. „Ministerium für europäische Verteidigung und Rüstung“, in: IMI-Analyse 2019/39, 19. 12.2019

24 Lasch, C.: Europäische Aufrüstung und Europäischer Verteidigungsfonds – eine erste Bilanz, in: IMI-Studie 2021/9, 2.12.2021

25 Der Begriff meint innovative Technologien, die ein bestehendes Produkt, Verfahren oder Dienstleistung ersetzen oder verdrängen.

26 Communication from the Commission to the European Parlament, the Council, the European Economic and Social Committee and the Commitee of the Regions, Action Plan on synergies between civil, defence and space industries v. 22.2.2021

Alle Macht der politischen Polizei. Aber wer sind die «Gefährder»?

Vom 15. bis 19. August halten Polizei und Armee in Bern die Übung «Fides» (Vertrauen) ab. Dagegen regt sich Widerstand.
Wir werden in den nächsten Wochen in unregelmässigen Abständen auf barrikade.info und auf unserem Blog Texte veröffentlichen, die wir zur Thematik lesenwert finden und welche möglicherweise als Grundlagen für Diskussionen dienen können. Dabei teilen wir nicht immer zu hundert Prozent alle Inhalte der publizierten Texte. Es geht uns in erster Linie darum, Grundlagen für Diskussionen zu schaffen.


Dieses Mal schlagen wir den Text „Alle Macht der politischen Polizei. Aber wer sind die «Gefährder»?“ zur Lektüre vor. Dieser wurde 2018 vom ajour magazin veröffentlicht (https://www.ajourmag.ch/wer-sind-die-gefahrder-3/) und befasst sich mit neuen Gesetzen zur „Terrorismusbekämpfung“ in der Schweiz. Obwohl schon etwas älter, halten wir den Artikel für sehr informativ. Was sich seit der Veröffentlichung am gravierendsten verändert hat: Die Gesetze sind mittlerweile alle in Kraft getreten.

Von Oliver Mando und Gionduri Caprez.

Mehr präventive Gewalt. Das fordert SP-Bundesrätin Sommaruga. Im Dezember schickte sie das neue Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) in die Vernehmlassung. Unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung sollen die Machtmittel der Bundespolizei (fedpol) ausgeweitet werden. Neu soll das fedpol Personen präventiv überwachen, isolieren und in ihrer Bewegungsfreiheit einschränken dürfen, falls diese als sogenannte «Gefährder» eingestuft werden. Damit beginnt ein neues Kapitel in der Geschichte der politischen Polizei in der Schweiz.

Seit Anfang März ist nun das Büpf in Kraft, das revidierte Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs. Dieses erlaubt den Repressionsbehörden, unser digitales Verhalten auf Schritt und Tritt zu verfolgen. Doch schon bald könnte es noch dicker kommen! Noch bis Ende März läuft die Vernehmlassung über die präventiven, polizeilichen Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT). Dann wird sich zeigen, wie gross der neuste Schritt sein wird. Jedenfalls wird es ein Schritt weg vom Strafrecht – das begangene, nachweisbare strafbare Handlungen sanktionieren soll – hin zu einem Polizeirecht, in dem die Unschuldsvermutung abgeschafft und Menschen präventiv bestraft werden, um sie fügsam zu machen.

Wer sind die «Gefährder»?

Im Visier des neuen PMT sind sogenannte «Gefährder». Das Wort stammt aus Deutschland, wo es 2007 der damalige CDU-Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble popularisiert hatte. Die Schweiz ist erst jüngst auf den Zug aufgesprungen und hat den äusserst schwammigen Begriff dankbar übernommen. Gemeint sind Personen, gegen die kein genügender Verdacht besteht, um ein Strafverfahren zu eröffnen, denen die Behörden aber nachsagen, dass sie «gewaltextremistische» oder «terroristische» Taten begehen könnten.
Um von der Polizei als «Gefährder» eingestuft zu werden, reichen Anhaltspunkte wie «die Kontaktpflege zu Personen, die zu terroristischer Gewalt aufrufen; das Erstellen von Social-Media-Profilen und das Weiterverbreiten (durch das «Befürworten» (z.B. auf Facebook liken) oder das «Verlinken») terroristischer Inhalte und Äusserungen; erste Abklärungen oder anderweitige Vorkehrungen, die auf eine Reise in Konfliktgebiete (z.B. das Austesten von Sicherheitsvorkehrungen an einem Flughafen) oder den Anschluss an ein terroristisches Netzwerk schliessen lassen.» So steht es im fedpol-Bericht zur Vernehmlassung.

Was gilt als «gewaltextremistische» oder «terroristische» Tat?

Damit gemeint sind Taten «mit denen die Bevölkerung eingeschüchtert oder ein Staat oder eine internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen genötigt werden soll.» Zu solchen Taten zählen vorsätzliche Tötung und Mord, aber auch schwere Körperverletzung, Verursachung einer Explosion, Gefährdung der öffentlichen Sicherheit mit Waffen, Unterstützung oder Beteiligung an einer terroristischen Organisation oder Finanzierung des Terrorismus bis hin zur öffentlichen Aufforderung zu Verbrechen oder zur Gewalttätigkeit.
In der Schweiz kommt es immer wieder vor, dass Teilen der radikalen Linken solche Taten vorgeworfen werden. Gilt künftig beispielsweise als «Gefährder», wer sich mit Antifaschist*innen solidarisiert, die eine Nazikneipe mit Pfeffersprays angreifen, wer an einem Solibrunch teilnimmt, um den bewaffneten Widerstand in Kurdistan finanziell zu unterstützen, wer auf Facebook ein Photo des «Kill Edogan with his own weapons»-Transpis liked oder wer das Communiqué der nächsten Sabotageaktion gegen den Bau des Ausschaffungsknasts Bässlergut auf barrikade.info verbreitet? Diskursiv zumindest wird der Begriff des Terrorismus bereits fleissig ausgeweitet. Und das nicht nur in der Türkei, wo längst jede oppositionelle Regung als Terrorakt gilt. In Deutschland gab es kaum ein*e Politiker*in, die*der die militanten G20-Demonstrant*innen nicht als «Terroristen» bezeichnet hatte. Und in Spanien wurden erst vor wenigen Tagen die beiden linken und antimonarchistischen Rapper Pablo Hasel und Valtonyc zu mehrjähriger Haft wegen «Terrorismusverherlichung» verurteilt.

Einschränkungen der Bewegungsfreiheit

Mit dem PMT dürfte das fedpol neu die Mobilität der so genannten «Gefährder» einschränken, indem sich diese regelmässig bei einem Polizeiposten oder einer anderen Behörde melden müssten. Ebenfalls dürfte es Ausreiseverbote verhängen und Reisepässe oder Identitätskarten beschlagnahmen, sowie Ein- und Ausgrenzungen aussprechen. Letzteres würde bedeuten, dass Personen den Zugang zu einem bestimmten Gebiet oder Rayon verboten wird oder sie ein bestimmtes Gebiet nicht verlassen dürfen. Sogar Hausarrest bzw. die «Eingrenzung auf eine Liegenschaft» ist vorgesehen.

Isolation vom Umfeld

Nebst Rayonverboten könnte das fedpol auch Kontaktverbote aussprechen, um «Gefährder» von einem so genannt «kriminogenen Umfeld» zu trennen, damit dieses keinen schädlichen Einfluss mehr auf die Person ausüben kann. Zudem ist im Gesetzesentwurf vorgesehen, als «Gefährder» eingestufte Migrant*innen zu verhaften und auszuschaffen.

Ausbau der Überwachung

Die neuen präventiven Massnahmen werden im PMT ergänzt durch mehr Überwachungsmöglichkeiten. Erstens dürften «Gefährder» über Mobilfunklokalisierung und technische Ortungsgeräte wie elektronische Fussfesseln geortet werden. Zweitens ermöglicht der Gesetzesentwurf einen intensiveren Informationsaustausch zwischen staatlichen Repressionsapparaten wie Grenzwachtkorps, Zoll, Transportpolizei des Bundes, Staatssekretariat für Migration (SEM) und Nachrichtendienst des Bundes (NDB) sowie dem fedpol. Drittens würde das fedpol befugt werden, im Internet und in elektronischen Medien verdeckt zu fahnden.

Dritter Teil eines Ganzen

Das PMT ist der dritte Umsetzungsschritt der schweizerischen Strategie zur Terrorismusbekämpfung aus dem Jahr 2015. Der erste Schritt bestand in einer Teilrevision des Strafgesetzbuches (StGB). Darin wird unter anderem vorgeschlagen, die Höchstgrenze der Haftstrafen für terroristische Taten abzuschaffen, sowie die Unterstützung von terroristischen Taten durch bspw. Propaganda oder Geld mit bis zu zehn Jahren Haft zu bestrafen. Die Verschärfung des Strafrechts war bereits in der Vernehmlassung und wurde positiv aufgenommen.
Der zweite Schritt stellt der «Nationale Aktionsplan zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus» (NAP) dar. Diesen haben die Kantone, Städte, Gemeinden und der Bund im November 2017 einstimmig verabschiedet. Während das StGB und das PMT Repression beinhalten, setzt der NAP eher auf Ideologie und Integration.

Ziel ist es erstens, mehr Wissen und Expertise zu «Radikalisierung» und «gewalttätigem Extremismus» zu generieren. Beispielsweise durch die Lancierung von spezifischen Forschungs­projekten und Studien, sowie die Entwicklung von Aus­- und Weiterbildungsangeboten. Zweitens geht es um die intensivere Zusammenarbeit und Koordination aller staatlichen und quasi-staatlichen Akteure. Diese Zusammenarbeit soll erreicht werden, indem spezifische Fach-­ und Beratungsstellen geschaffen werden und indem auf Organisationen und Institutionen der Zivilbevölkerung eingewirkt wird. Konkret gemeint sind Migranten-­, Sport­-, Jugend-­ und Frauenvereine, Hilfswerke und religiös tätige Organisationen. Drittens sollen «extremistisches Gedankengut und Gruppierungen» verhindert werden durch die «Förderung der aktiven Bürgerschaft, Stärkung der Demokratie und Verhinderung von Diskriminierungen» oder durch das Verbreiten von Gegennarrativen und alternativen Narrativen, um eine Radikalisierung via Internet zu verhindern.

Nach dem Strafvollzug ist vor dem Strafvollzug

Falls die Behörden zum Schluss kommen, dass bei einer Person die Massnahmen des NAP wirkungslos bleiben, könnten sie diese Person schon bald entweder der präventiven Gewalt des PMT aussetzen oder über das verschärfte StGB sanktionieren. Exemplarisch für den eingangs erwähnten Paradigmenwechsel ist, dass Menschen, die einmal ins Visier staatlicher Repression geraten, nicht mehr so schnell wieder herauskommen. Eine Straftat wird in der Haft nicht mehr abgesessen. Vielmehr gilt: nach dem Strafvollzug ist vor dem Strafvollzug. Denn aus der Haft Entlassene gelten entweder als Radikale, die über das NAP von ideologischen Staatsapparaten angegangen werden oder als «Gefährder», die den präventiven Massnahmen des PMT ausgesetzt sind.

Gegenwärtig erhält leicht Zuspruch, was als Terrorismusbekämpfung angepriesen wird. Die Gefahr, dass die Behörden uns radikale Gegner*innen der herrschenden Ordnung als «Gefährder» einstufen und somit ständiger Gewalt und Repression aussetzen, ist deshalb greifbar nah. Einen Vorgeschmack gab es beispielsweise während einer Ständeratsdebatte im Nachgang der G20-Proteste von Hamburg. «Polit-Hooligans», «Gewaltextremisten» und «Krawallmacher» sollen künftig mit einem Ausreiseverbot belegt werden, wenn politische Veranstaltungen im Ausland anstehen. Das beschloss der Ständerat mit 28 zu 11 Stimmen. Der Nationalrat wird wohl folgen.


MANIFESTACIÓN

No Fides CONTRA VIOLENCIA POLICIAL MILITARIZACIÓN Y VIGILANCIA

Del 15. al 19. de agosto la Policía y Fuerzas Armadas realizarán en Berna el ensayo llamado “Fides” (confianza). Con el absurdo escenario inventado de una “constante amenaza terrorista” por la que la Seguridad se debería entrenar en una “infraestructura más crítica”, como centros de datos de economías energéticas y centros de distribución de diferentes bienes, así como en significativas zonas de tránsito e infraestructuras de Gobierno.

 

La Policía y la Milicia quieren mostrarse como protectores dignes de confianza. De todos modos, estas instituciones marcadas por el racismo y el patriarcado no sólo representan una imagen reactiva de la masculinidad, de grupos de hombres, del patriotismo, de supuesta fuerza y honor, sino que también vigilan día a día las rejas en las fronteras, practican Racial Profiling e imponen deportación a través de esto. Las Fuerzas Armadas estatales se preparan a defender las condiciones de poder autoritarias – y si es necesario, con violencia letal.

En el ensayo “Fides” de este año, se habla de una “constante amenaza terrorista”. Aún así logra el Estado con el término “terrorismo”, un estigma enemigo bajo el cual varios grupos de resistencia y movimientos de izquierda consensuan la legitimizacion de sus activismos y críticas a las actuales condiciones de poder. Fuertes leyes simplifican el trabajo de instituciones represivas contra activistas y sus organizaciones. Por ejemplo en Francia, el gobierno clasificó a más de cien agrupaciones antifascistas como un peligro terrorista y les prohibió utilizar el mismo tren. Las medidas represivas dificultan significativamente el trabajo antifascista. Estos desarrollos hacen aparecer la pregunta ¿Qué agrupaciones y movimientos serán criminalizades en el futuro? Por ejemplo, ¿Actuarán en contra les militares cuando la juventud activista por el clima se manifieste para exponer uno de los temas más urgentes y actuales? ¿Va la policía y las Fuerzas Armadas a combatir el trabajo antifascista y jugarse en las manos la banalización mundial del fascismo.
Este año, anteponiendo la operación Fides, manifestaremos en la calle el domingo 14 de agosto nuestras diferentes afecciones y críticas a la policía y a la milicia. Las limitaciones cotidianas a través de los órganos represivos del Estado son masivas, y la recepción de estas condiciones estructurales de poder, resultan muy vulnerables a través de la protección de éstas instituciones. Sin embargo, esto no nos incapacitan a criticar fundamentalmente al Estado como institución y sus prácticas violentas. Tampoco nos incapacita a estar en contra de su deslegitimación hacia nosotres, nuestros pensamientos y lucha. Ningún Estado, ninguna policía, ni ninguna milicia pueden impedir nuestras ideas, de una sociedad libre de represión, violencia, discriminación y opresión.

Convocatoria para el domingo 14 de agosto a las 15 hrs. en la Schützenmatte.

NO FIDES  – NUNCA CONFÍES EN LA POLICÍA, SOLDADES, O EN EL ESTADO.

Acotación: Esta manifestación no estará permitida. Encontramos absurdo en este contexto pedir permiso para criticar las condiciones de poder de las autoridades. Y somos conscientes que en las manifestaciones y especialmente al no estar permitidas, no presenta accesibilidad para que asistan todes